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Parlamentswahl Kubas Staatschef Raul Castro tritt ab

Im April 2018 wählt Kuba einen neuen Staatsrat. Erstmals seit 60 Jahren wird dann kein Castro die Karibik-Insel regieren.

21.12.2017, 16:42

Havanna (dpa) l Ein Leben ohne die Castros – daran können sich auf Kuba nur die Wenigsten erinnern. Fast 60 Jahre haben die Brüder die Karibikinsel mit eiserner Faust regiert. Nun ist rund ein Jahr nach dem Tod von Fidel klar: sein Bruder und Nachfolger Raúl wird am 19. April nach der Parlamentswahl abtreten. Es wird das Ende einer Ära aber nach Lage der Dinge keine Zäsur für die sozialistische Insel.

Eigentlich sollte die Abgabe des Amtes schon im Februar stattfinden, aber wegen der schlimmen Zerstörungen durch Hurrikan "Irma" hat das Katastrophenmanagement höchste Priorität und die Übergabe der Macht – wahrscheinlich an Vizepräsident Miguel Díaz-Canel – etwas verschoben.

Nach dem Sieg der Rebellenarmee und dem Einzug in Havanna am Neujahrstag 1959 baute Fidel Castro im Hinterhof der USA ein sozialistisches Bollwerk auf und steuerte das Land durch Kubakrise und die entbehrungsreiche Sonderperiode nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Nachdem sich der Revolutionsführer 2006 aus gesundheitlichen Gründen aus der aktiven Politik zurückzog, übernahm sein Bruder Raúl Castro die Regierungsgeschäfte. Er liberalisierte die staatlich streng regulierte Wirtschaft ein wenig und nahm diplomatische Beziehungen zum einstigen Erzfeind USA auf. Meinungs und Pressefreiheit gibt es allerdings noch immer nicht, politische Bewegungen neben der Kommunistischen Partei sind nicht zugelassen.

"Raúl Castros zehnjährige Herrschaft war im mehrfachen Sinn enttäuschend", schreibt Richard Feinberg in einer Analyse der Brookings Institution. "Kubas Wirtschaft stagniert und die Reformen wurden auf Eis gelegt. Die politische Macht ist weiterhin sehr zentralisiert. Und die gut ausgebildete Jugend sucht bessere Chancen im Ausland."

Erstmals seit sechs Jahrzehnten wird bald kein Castro mehr an der Staatsspitze stehen. Große Veränderungen sollte niemand erwarten. "Die kubanischen Präsidenten werden stets die Revolution verteidigen. Vor allem brauchen wir Kontinuität", sagte der designierte Nachfolger Díaz-Canel vor einigen Wochen. Gerade weil Castros Nachfolger nicht mehr zu der historischen Generation der Revolutionäre gehört und damit über keine natürliche Legitimation verfügt, darf er sich keine Schwäche erlauben.

"Wenn Miguel Díaz-Canel neuer Präsident wird, muss er zunächst den harten Hund geben. Seine Botschaft dürfte lauten: Macht euch keine Illusionen. Wir werden die politische Macht nicht abgeben", sagt der Kubakenner Bert Hoffmann vom Giga-Institut. "Es dürfte zunächst darum gehen, die Erwartungen in Kuba und international zu dämpfen. Nach einer Übergangszeit könnte es dann später auch wieder eine gewisse Öffnung geben." Unter Öffnung versteht man in Kuba zum Beispiel, dass nicht mehr das Militär fast ein Monopol im Tourismus hat, sondern auch Privatbürger mit Lizenzen für Restaurants und Pensionen etwas Geld verdienen können. 2017 kamen bisher bereits 4,7 Millionen Touristen in das Land – ein neuer Rekord.

Schon jetzt öffnet sich die soziale Schere in Kuba jedoch immer weiter zwischen jenen, die Zugang zu Devisen und Tourismuseinnahmen haben, und jenen, die mit dem staatlichen Durchschnittslohn von umgerechnet knapp 30 Euro auskommen müssen. "Um die sozialen Spannungen abzufedern, kann die Regierung den Reformen etwas von ihrem Schwung nehmen", sagt Hoffmann. Es würden immer mal wieder Paladares (private Restaurants) geschlossen oder Maßnahmen gegen die hohen Preise auf den Märkten ergriffen. "Das wirkt aber vor allem symbolisch."

Nach Einschätzung von Experten wird Raúl Castro auch nach seinem Rücktritt als Präsident noch weiterhin die Strippen ziehen. "Ich gehe davon aus, dass Raúl aus dem Schatten heraus weiter regieren wird", sagt der regierungskritische Journalist Iván García Quintero.   Mindestens bis 2021 will Castro noch Vorsitzender der mächtigen Kommunistischen Partei Kubas und bleiben.

Tiefgreifende Veränderungen sind auch angesichts des wieder raueren Tons aus Washington seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump kaum zu erwarten, es dürfte zunächst darum gehen, die Reihen geschlossen zu halten. "Für die kubanische Staatsführung hat der Machterhalt oberste Priorität", sagt Hoffmann. "Sie will nicht das gleiche Schicksal erleiden, wie die sozialistischen Regierungen in Osteuropa nach dem Zerfall der Sowjetunion."