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Parlamentswahl Es wird ernst für die Briten

Die Briten bestimmen schon bald ihr neues Parlament. Die wichtigsten Fakten im Überblick:

05.12.2019, 23:01

London (dpa) l Die Briten wählen am kommenden Donnerstag ein neues Parlament. Premierminister Boris Johnson hofft mit seinen Konservativen auf eine satte Mehrheit, um seinen Brexit-Deal durchs Parlament zu bringen und das Land am 31. Januar 2020 aus der Europäischen Union zu führen. Die oppositionelle Labour-Partei hat dagegen so gut wie keine Chancen auf eine eigene Mehrheit, sondern müsste auf die Unterstützung kleinerer Parteien hoffen. Labour-Chef Jeremy Corbyn will ein eigenes Brexit-Abkommen aushandeln und es den Briten danach in einem zweiten Referendum vorlegen.

Die Wahllokale sind von 8 Uhr (MEZ) bis 23 Uhr (MEZ) geöffnet. Unmittelbar danach wird eine Prognose im Auftrag der Fernsehsender BBC, ITV und Sky News veröffentlicht. Bei vier von fünf Wahlen seit der Jahrtausendwende lagen die Prognosen grundsätzlich richtig. Kleinere Abweichungen zum Auszählungsergebnis sind aber üblich. Sollte das Rennen sehr knapp ausgehen, könnte es sein, dass bis zur Auszählung eines Großteils der Stimmen keine Klarheit herrscht. Die Ergebnisse werden für jeden Wahlkreis einzeln bekanntgegeben, die Auszählung dürfte sich bis in die Morgenstunden hinziehen. Mit einem offiziellen Endergebnis ist erst im Laufe des Freitags zu rechnen.

Großbritannien hat ein relatives Mehrheitswahlrecht. Ins Parlament zieht nur der Kandidat mit den meisten Stimmen in seinem Wahlkreis ein. Die Stimmen für unterlegene Kandidaten verfallen. Das führt dazu, dass die beiden großen Parteien (Konservative und Labour) bevorzugt werden, und bringt in der Regel klare Mehrheitsverhältnisse. In der jüngeren Vergangenheit kam es aber immer wieder zu einem „hung parliament“ – das bedeutet, dass weder Labour noch Konservative eine absolute Mehrheit der Mandate erreichen konnten.

Von den 650 Wahlkreisen in Großbritannien liegen 533 in England, 59 in Schottland, 40 in Wales und 18 in Nordirland. Theoretisch liegt die Mehrheit bei 326 Sitzen. Weil aber der Parlamentspräsident und seine Stellvertreter nicht abstimmen und die nordirisch-katholische Partei Sinn Fein ihre Sitze traditionell nicht einnimmt, liegt die Mehrheit faktisch bei etwa 320 Mandaten. Zur Wahl aufgerufen sind alle Briten, die älter sind als 18 Jahre, sich für die Wahl registriert und ihr Wahlrecht nicht verwirkt haben, beispielsweise wegen einer Haftstrafe. Abstimmen dürfen auch Bürger der Republik Irland und von Commonwealth-Staaten, die ihren Wohnsitz in Großbritannien haben.

Briten im Ausland dürfen nur an der Wahl teilnehmen, wenn sie innerhalb der vergangenen 15 Jahre für eine Wahl registriert waren. 2018 gab es 45,7 Millionen Wahlberechtigte.

Bei klaren Mehrheitsverhältnissen beauftragt Königin Elizabeth II. den Wahlsieger mit der Bildung einer Regierung. Sollte es zu einem „hung parliament“ kommen, müssen zuvor Verhandlungen über eine Koalition oder die Duldung einer Minderheitsregierung stattfinden. Die Konservativen von Premierminister Boris Johnson

haben derzeit kaum Aussicht auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen. Mit der nordirisch-protestantischen DUP, die Johnsons Vorgängerin Theresa May nach der Wahl 2017 stützte, hat sich Johnson im Streit über seinen Brexit-Deal überworfen. Die Umfragen sehen ihn jedoch auf dem Kurs zu einer eigenen Mehrheit.

Die Chancen der Labour-Partei für eine eigene Mehrheit gehen dem renommierten Wahlforscher John Curtice zufolge „gegen null“. Parteichef Jeremy Corbyn könnte aber auf die Hilfe der Schottischen Nationalpartei SNP hoffen. Der Preis wäre jedoch ein baldiges Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands, wie Parteichefin Nicola Sturgeon deutlich machte. Auch die Liberaldemokraten könnten Zünglein an der Waage spielen. Ihr Ziel ist es, den Brexit abzuwenden. Daher wäre eine Zusammenarbeit mit Johnsons Tories nur schwer vorstellbar – mit Labour schon eher.

Sollte Boris Johnson eine klare Mehrheit erreichen, könnte er schon bald mit der Ratifizierung seines Brexit-Abkommens beginnen. Zusammentreten soll das Parlament erstmals wieder am 17. Dezember. Johnson kündigte bereits an, noch vor Weihnachten über seinen Austrittsdeal abstimmen zu lassen. Der EU-Austritt soll dann bis zum 31. Januar vollzogen werden.

Anschließend würden die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen beginnen, das bis spätestens Ende des Jahres 2020 in Kraft treten muss. Dann endet die im Brexit-Deal vereinbarte Übergangsfrist. Eine Verlängerung wäre zwar bis Ende Juni noch möglich, doch das hat Johnson bereits ausgeschlossen.

Corbyn will innerhalb von drei Monaten einen neuen Brexit-Deal mit enger Anbindung an die EU aushandeln und sechs Monate später den Briten in einem Referendum vorlegen, die Alternative wäre ein Verbleib in der Staatengemeinschaft.

Doch die Wahl dreht sich nicht nur um die präsenten Politiker Johnson und Corbin: Auch Jo Swinson, Nigel Farage und Nicola Sturgeon gehören zu den wichtigen Akteuren der Parlamentswahl. Swinson, die junge Chefin der Liberaldemokraten, hat sich hohe Ziele gesteckt. Sie will Premierministerin werden.

Nigel Farage, Chef der Brexit-Partei, tritt zwar selbst nicht an, will aber den Sozialdemokraten Wähler abwerben, die für den Brexit gestimmt haben.

Die Chefin der Schottischen Nationalpartei (SNP), Nicola Sturgeon, sitzt nicht im Parlament in Westminster. Doch anders als die wechselnden Fraktionschefs in London ist die Regierungschefin in Edinburgh eine Konstante in der Partei. Sie kennt nur ein Ziel und das lautet, so schnell wie möglich ein zweites Unabhängigkeitsreferendum für ihren Landesteil zu erreichen.