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Parlamentswahl May will mit DUP weiterregieren

Die Konservativen haben die Mehrheit im Parlament verloren. Premierministerin May will weiterregieren - und hält am Brexit-Plan fest.

09.06.2017, 12:56

London (dpa) l Großbritanniens Premierministerin Theresa May will auch nach der Schlappe bei der Parlamentswahl an ihrem Machtanspruch festhalten und das Land aus der EU herauslösen. Am Freitag bat sie Königin Elizabeth II. um die Erlaubnis für eine Regierungsbildung – obwohl die von May geführten Konservativen bei der Wahl weit unter den eigenen Erwartungen geblieben waren. Angepeilt wird nun eine Minderheitsregierung der Tories mit Unterstützung der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP).

Dieses Bündnis werde "Gewissheit" bringen und das Land durch die Brexit-Gespräche führen, die am 19. Juni beginnen sollen, wie May bekräftigte. DUP-Chefin Arlene Foster sagte: "Ich denke, es wird sicher Kontakt über das Wochenende geben." Für genauere Angaben sei es noch zu früh.

Die Abstimmung über die 650 Sitze im Londoner Unterhaus endete aus Sicht der Konservativen ernüchternd. Sie blieben zwar stärkste Kraft, verloren aber ihre absolute Mehrheit. Nach der Auszählung fast aller Stimmen konnten weder Tories noch Labour-Opposition die nötige Mehrzahl der Mandate erreichen. Am frühen Nachmittag fehlte mit Kensington im Zentrum Londons noch ein letztes Wahlkreis-Ergebnis – an den Verhältnissen im Parlament änderte dies aber nichts mehr.

Die Wahl war auch eine Richtungsentscheidung für die umstrittenen Pläne zum EU-Austritt Großbritanniens. May, die einen harten Kurs ohne größere Zugeständnisse an Brüssel vertritt, hatte sich im April selbst für die vorgezogene Abstimmung ausgesprochen – mit dem Ziel, ihre Mehrheit und Rückendeckung in den Verhandlungen zu stärken. Sie hatte das Amt des Regierungschefs von David Cameron übernommen, der nach dem Brexit-Votum der Briten 2016 zurückgetreten war.

Labour will einen "weicheren" Brexit und eng mit der EU kooperieren. Parteichef Jeremy Corbyn hatte May aufgefordert, ihren Posten zu räumen. Sie habe Stimmen, Sitze und Vertrauen verloren. Das sei genug, um "zu gehen und Platz zu machen für eine Regierung, die wirklich alle Menschen dieses Landes repräsentiert". Corbyn brachte eine eigene Minderheitsregierung ins Spiel. Die Liberaldemokraten schlossen derweil Koalitionen aus. Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon, deren Partei ebenfalls Stimmenverluste verzeichnete, forderte, man müsse nun Abstand von einem "harten" Brexit nehmen.

Der komplizierte Wahlausgang ist wichtig für die Austrittsgespräche mit Brüssel. Die Verhandlungen müssen bis Ende März 2019 abgeschlossen sein, sonst scheidet das Vereinigte Königreich ohne Vertrag oder Übergangsregelung aus der EU aus. Die Folgen für Wirtschaft und Bürger wären in diesem Fall kaum absehbar.

Bei der EU wächst die Ungeduld. "Soweit es die EU-Kommission betrifft, können wir mit den Verhandlungen morgen früh um halb zehn beginnen", sagte Kommissionschef Jean-Claude Juncker. "Wir warten also auf Besucher aus London." Zeitplan und Positionen der EU dazu seien klar, betonte Verhandlungsführer Michel Barnier: "Lassen Sie uns die Köpfe zusammenstecken und einen Kompromiss finden."

Die Briten hatten im März in Brüssel offiziell ihren Austritt erklärt. Juncker zeigte sich nicht bereit, über eine Fristverlängerung zu reden. Erstmal müssten die Gespräche überhaupt beginnen. EU-Ratspräsident Donald Tusk warnte vor einem Brexit ohne Verhandlungen – der Austritt würde letztlich auch ohne ausgehandelte Regeln wirksam. "Wir wissen nicht, wann die Brexit-Gespräche starten. Wir wissen, wann sie abgeschlossen sein müssen", erklärte er.

"May wollte Stabilität erreichen und hat Chaos gebracht", schrieb der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU). Andere Europaabgeordnete spekulierten bereits, die Briten könnten nun doch in der EU bleiben. "Der Exit vom harten Brexit erscheint wieder als eine mögliche Perspektive", meinte der SPD-Politiker Jo Leinen.

In Deutschland waren die Reaktionen auf die Wahl gemischt. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) meinte, May habe die Wahl zu einer Abstimmung über den Brexit gemacht: "Sie hat gesagt, sie will eine starke Mehrheit für den Austritt aus der Europäischen Union. Die hat sie nicht bekommen. Ich finde, die britischen Bürgerinnen und Bürger haben gezeigt, dass sie mit sich nicht spielen lassen wollen."

Nach Gabriels Einschätzung ist die Botschaft: "Macht faire Gespräche mit der Europäischen Union – und überlegt noch mal, ob es eigentlich gut für Großbritannien ist, in dieser Art und Weise aus der Europäischen Union auszuscheiden." Es komme nun darauf an, möglichst schnell eine neue Regierung zu bilden, "mit der wir ernsthafte Verhandlungen führen können". Die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Ulrike Demmer, sagte dagegen, man wolle den Ausgang noch nicht kommentieren und die weiteren Schritte in London abwarten.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz bezeichnete das Wahlergebnis als "schallende Ohrfeige" für Brexit-Befürworter. Im Londoner Parlament gebe es nun eine Mehrheit von Brexit-Skeptikern. "Ich glaube, dass da jetzt eine große Dynamik reinkommt." Europa brauche Solidarität und Kooperation und nicht die "Rückkehr zum Ultranationalismus", wie er in manchen Ländern "geradezu systematisch propagiert" werde. Der Chef der EU-feindlichen britischen Partei Ukip, Paul Nuttall, trat nach einem desaströsen Ergebnis seiner Partei bei der Wahl zurück.

Europas Börsen reagierten am Freitag mit leichten Gewinnen auf die Schlappe Mays. Allerdings büßten sie einen Teil der Aufschläge danach wieder ein. Einige Ökonomen schätzen, dass ein britischer EU-Austritt mit einer strikten Trennung etwa in Handels- oder Arbeitsmarktfragen nun weniger wahrscheinlich wird. "Der harte Brexit wurde gestern abgewählt", meinte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer.

Infografik: May verliert Mehrheit | Statista Mehr Statistiken finden Sie bei Statista