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Projekt Berliner Pop-up-Radwege sind rechtswidrig

Es war ein Vorzeigeprojekt der Grünen: Der Senat ließ mit der Corona-Pandemie lauter neue Radwege bauen. Das scheiterte nun vorerst.

07.09.2020, 14:04

Berlin (dpa) l Es ist eine krachende Niederlage für die Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne). Die sogenannten Pop-up-Radwege, die ihre Senatsverwaltung und einige Bezirke während der Corona-Pandemie einrichten ließen, sind nach einer ersten Gerichtsentscheidung nicht zulässig. Sie müssen demnach wieder entfernt werden. Die Eilentscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Aber es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Radwege, teilte das Verwaltungsgericht am Montag mit.

Zur Begründung hieß es vom Gericht in deutlichen Worten, Radwege dürften nur dort angeordnet werden, wo es konkrete Hinweise auf Gefahren im Verkehr gebe und die Anordnung zwingend notwendig sei. Eine solche Gefahrenlage habe die Senatsverwaltung nicht dargelegt. Sie sei "fälschlich" davon ausgegangen, sie müsse sie nicht begründen.

Auch könne der Senat nicht die Corona-Pandemie zum Anlass für solche Anordnungen nehmen, da sie nichts mit der Verkehrslage zu tun habe, so die Richter. Auch die weitere Begründung des Senats bleibe "ohne konkrete Belege und gehe über allgemeine (...) Situationsbeschreibungen nicht hinaus".

Die Senatsverkehrsverwaltung kündigte eine Stellungnahme an. Sie kann gegen den Beschluss Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einlegen. Allerdings hat das keine aufschiebende Wirkung. Die müsste in einem extra Antrag begründet werden.

Das Urteil richtet sich keineswegs grundsätzlich gegen neue Radwege. Es stellt nur die fehlende notwendige Begründung von konkreten Gefahren an bestimmten Stellen fest. Möglicherweise kann also die Senatsverkehrsverwaltung später auch Radwege mit einer erneuten und besseren Begründung wieder einrichten. Der Senat will sich auf seiner Sitzung am Dienstag mit dem Thema Verkehrsplanung befassen.

Der AfD-Abgeordnete und Verkehrspolitiker Frank Scholtysek hatte im Juni gegen die Einrichtung von acht neuen, kurzfristig angelegten Fahrradwegen in Kreuzberg, Friedrichshain, Schöneberg und Charlottenburg geklagt. Weitere neue Radwege sind von diesem Urteil nicht betroffen, weil sie später gebaut wurden.

Die Senatsverkehrsverwaltung hatte im April in Zusammenarbeit mit den Bezirken recht plötzlich begonnen, diese sogenannten Pop-up-Radwege auf Parkstreifen oder Autospuren zu markieren und entsprechende Schilder aufzustellen. Begründet wurde das mit der Corona-Pandemie. Viele Berliner hätten kein Auto und in Bussen und Bahnen sei es zu eng. Allerdings waren damals ohnehin U-Bahnen, Straßen wie auch Radwege selbst im Berufsverkehr halb leer, weil kaum noch jemand ins Büro fuhr und die meisten Geschäfte geschlossen hatten. Daher gab es viel Kritik, dass der Senat Corona nur als Vorwand nehme, um den Autoverkehr zurückzudrängen.

Für die Bezirke entwarfen die Experten von Senatorin Günther einen Leitfaden zur Einrichtung dieser Radwege. Der "Tagesspiegel" schrieb damals von einem "Handbuch, das nur aus wenigen Seiten besteht und innerhalb weniger Tage entstand".

Kläger Scholtysek teilte mit: "Dies ist ein Sieg der individuellen Mobilität gegen den Autohass. Wir freuen uns, dass erstmals linke Ideologen von Richtern in ihre Grenzen verwiesen wurden." Die AfD wolle sich weiter "gegen die vielfältigen Machenschaften – wie Straßensperren, Parkplatzverbote und immer höhere Gebühren – im verkehrspolitischen Umerziehungslager Berlin wehren".

Die CDU-Fraktion sprach von einem "Fiasko" für Grünen-Senatorin Günther. Die Radwege seien in einer "Nacht-und-Nebel-Aktion" angelegt worden. "Nun bekommt die Senatorin die Quittung dafür, dass sie mit dem Kopf durch die Wand wollte." Es sei ein Irrweg, nur auf Rad-Lobbyisten zu hören und die Interessen von Anwohnern und anderen Verkehrsteilnehmern zu ignorieren. Die FDP kritisierte: "Ausgerechnet bei ihrem Kernthema hat die grüne Verkehrssenatorin auf ganzer Linie versagt." Der Senat müsse jeden einzelnen Radweg noch einmal prüfen.