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Repräsentantenhaus Bunter Kongress in bewegten Zeiten

Im US-Repräsentantenhaus haben jetzt die Demokraten das Sagen - das sorgt nach Beginn der jüngsten Wahlperiode für Turbulenzen.

Von Christiane Jacke 03.01.2019, 23:01

Washington (dpa) l Marcy Kaptur hat schon einiges erlebt im Repräsentantenhaus. Die 72-Jährige sitzt seit 1983 in der Kammer des US-Kongresses. Seit 35 Jahren also. Damit ist sie die dienstälteste Abgeordnete in der Geschichte des Repräsentantenhauses. Kaptur hat am Donnerstag ihre 19. Wahlperiode dort begonnen. Doch selbst für sie, mit all ihrer Erfahrung, sind es besondere Zeiten. So viel Chaos und Instabilität wie unter Präsident Donald Trump habe sie noch nie erlebt, sagt die Demokratin. Der Start des neuen Kongresses wird von einem erbitterten Haushaltsstreit überschattet, und von einem teilweisen Stillstand der Regierungsgeschäfte. Das gibt einen Vorgeschmack auf die turbulenten Zeiten, die Trump in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit bevorstehen – mit einem geteilten Kongress.

Bei den Zwischenwahlen Anfang November hat sich einiges verschoben. Trumps Republikaner verteidigten zwar ihre Mehrheit im US-Senat und konnten dort noch ein paar Sitze hinzugewinnen. Sie verloren aber die Kontrolle im Repräsentantenhaus an die Demokraten. Für Trump ist das schmerzlich. Mit ihrer neuen Stärke in der Kammer können ihm die Demokraten das Leben schwer machen: Sie können Untersuchungen gegen ihn starten, Zeugen vorladen, Dokumente anfordern. Sie können Gesetzesvorhaben blockieren. Theoretisch könnten sie sogar ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einleiten. Allerdings würde das wohl spätestens im – republikanisch dominierten – Senat scheitern. Dennoch: Für Trump wird es von nun an ungemütlicher.

Die Wahl hat im Kongress aber auch generell etwas verschoben: Das neu gewählte Abgeordnetenhaus ist deutlich weiblicher und bunter als früher. 102 Frauen sitzen nun in der Kammer – fast ein Viertel aller Abgeordneten, mehr als je zuvor. 89 der Frauen gehören zu den Demokraten, nur 13 zu den Republikanern. In den Reihen der Demokraten haben sich viele progressive Kandidaten durchgesetzt. Prominentestes Gesicht ist hier Alexandria Ocasio-Cortez aus New York, die mit 29 Jahren als jüngste Frau überhaupt den Einzug in die Kammer geschafft hat. Aber auch die ersten muslimischen Frauen und die ersten weiblichen Nachfahren von Ureinwohnern gehören zur neuen demokratischen Fraktion. Hinzu kommen bekennende Schwule, Lesben, Bisexuelle.

Als Kaptur 1983 anfing, sah es weit weniger bunt aus in der Kammer. „Damals saßen nur etwa zwei Dutzend Frauen im Repräsentantenhaus“, erzählt die Abgeordnete aus Ohio. „Der Altersdurchschnitt lag zu der Zeit bei über 60, ich war 36.“ Sie habe damals eine Art Tochter-Rolle gehabt. Als junge Frau unter vielen grau-melierten Herren. Dass die Kammer nun weiblicher und bunter ist, vor allem bei den Demokraten, findet sie gut. „Das bringt viel Energie und neue Stimmen ins Haus.“

In Zeiten eines Präsidenten Trump sei das besonders wichtig, meint Kaptur. Er verhalte sich gegenüber Frauen oft respektlos und herablassend, wirft sie ihm vor. Insgesamt habe sie einen Politikstil wie bei Trump noch nie zuvor in ihrer politischen Karriere erlebt. Seine Erfahrung sei sehr begrenzt, seine Reden seien unzusammenhängend, er setze auf Emotionen und Theatralik. „Das ist mehr Propaganda als Führung“, klagt Kaptur. „Es gibt keine Stabilität in der Regierung. Das ist gefährlich für unser Land.“

Was passiert, wenn politischer Streit die Regierungsarbeit lähmt, ist seit fast zwei Wochen zu beobachten. Seit kurz vor Weihnachten steht ein Viertel des Regierungsapparats weitgehend still, weil für mehrere Ministerien nicht rechtzeitig ein neuer Haushalt beschlossen wurde. Hintergrund ist ein erbitterter Streit zwischen Trump und den Demokraten über die Finanzierung einer Mauer an der Grenze zu Mexiko.

Hunderttausende Regierungsbedienstete müssen wegen des „Shutdowns“ vorerst unbezahlten Zwangsurlaub machen oder ohne Gehalt weiterarbeiten. Museen machen zu, in Nationalparks laufen Mülleimer über, in Ämtern bleiben Anträge liegen. Bei der Bevölkerung, vor allem bei Regierungsangestellten, sorgt das für zunehmenden Frust.

Klar ist daher auch: Je länger der „Shutdown“ dauert, umso größer ist auch das Risiko für die Demokraten, den Groll der Bürger abzukommen. Dabei wollen gerade sie sich als Retter der Nation darstellen.