Rundfunkbeitrag Steuer oder Abgabe?

Der Rundfunkbeitrag ist für so manchen ein Ärgernis und landete nun vor dem Bundesverfassungsgericht.

17.05.2018, 23:01

Karlsruhe l Das mit dem Rundfunkbeitrag sei nicht so einfach, erläuterte SWR-Justiziar Hermann Eicher den Bundesverfassungsrichtern in Karlsruhe: Man müsse sich das so vorstellen, als sitze man in einem Raum mit vier Löwen in jeder Ecke und sobald man sich bewege, drohe einer dieser Löwen einen zu fressen. Einer dieser vier Löwen heiße „Hoher Verwaltungsaufwand“. Mit diesem Bild versuchte Eicher in der Verhandlung am Mittwoch deutlich zu machen, was für ein kompliziertes Gebilde der Rundfunkbeitrag ist. Vizepräsident Ferdinand Kirchhof bedankte sich für die Warnung und sagte, wenn er vorher gewusst hätte, dass das Beitragswesen so gefährlich ist, hätte er den Fall mit spitzeren Fingern angefasst.

Die Verfassungsrichter verhandelten am Mittwoch über die Rechtmäßigkeit des Rundfunkbeitrags. Besonders interessierte sie die Frage, ob es sich bei dem Beitrag, der haushaltbezogen eingezogen wird, womöglich um eine Steuer handelt und warum der Beitrag pro Wohnung erhoben wird und nicht pro Kopf. Geklagt hatte unter anderen ein alleinlebender Mann, der zwei Wohnungen besitzt. Er müsse zwei Rundfunkbeiträge zahlen, obwohl er doch den Rundfunk nicht in beiden Wohnungen gleichzeitig nutzen könne, sagte er. Alleinlebende würden durch das Beitragssystem benachteiligt.

Die Richter ließen in der Verhandlung durchblicken, dass sie hier eine Ungleichbehandlung sehen. Immer wieder fragten sie, warum der Beitrag haushaltbezogen eingezogen werde und nicht personenbezogen und ob es für Menschen mit zwei Wohnungen nicht eine Härtefallklausel geben könnte. Die Vertreter der Sender und der Länder, die den Rundfunkbeitrag verteidigten, argumentierten mit dem Schutz der Familie und dem Datenschutz. Der Beitragsservice, der den Rundfunkbeitrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio einziehe, müsse nicht nachfragen, wie viele Personen in einem Haushalt leben, ihm reiche es, dass pro Wohnung ein Beitrag entrichtet wird. Typischerweise würden Medien in der Wohnung genutzt, deswegen setze der Beitrag hier an.

Der Medienrechtler Dieter Dörr, der in Karlsruhe die Länder vertrat, die den Rundfunkbeitrag 2013 eingeführt haben, sagte, das Pro-Kopf-Modell hätte einen viel höheren Verwaltungsaufwand erfordert. Durch den haushaltsbezogenen Beitrag würden Familien und andere Gemeinschaften besser gestellt, das sei auch im Sinne des Grundgesetzes. Die Länder hätten sehr lange über das neue Beitragsmodell diskutiert. Das jetzt eingeführte Modell sei „das praktikabelste und am leichtesten umsetzbare“. Die Umstellung von der Rundfunkgebühr auf den Rundfunkbeitrag habe „erstaunlich gut funktioniert“.

Eicher erläuterte, der Beitragsservice verwalte derzeit 44 Millionen Konten von Beitragszahlern. Würden alle Personen ab 18 erfasst, würde der Datenbestand auf mehr als 60 Millionen anwachsen und beim Beitragsservice würde ein zweites Meldedatenregister entstehen. Den Ländern sei bei Einführung des Beitrags wichtig gewesen, dass der Rundfunkbeitrag wie zuvor die Rundfunkgebühr sowohl von Privatpersonen wie auch von der Wirtschaft eingezogen wird, sagte der Justiziar. Knapp zehn Prozent des gesamten Beitragsaufkommens seien vor 2013 von Unternehmen gezahlt worden. Dieses Verhältnis sei bei dem neuen Beitragsmodell, in dem Betriebsstätten je nach Zahl der Mitarbeiter und Filialen gestaffelte Beiträge zahlen, gleich geblieben.

Dagegen, dass auch Unternehmen den Rundfunkbeitrag zahlen müssen, klagt der Autoverleiher Sixt. Dessen Verfahrensbevollmächtigter, der Medienrechtler Christoph Degenhart, sagte, in vielen Betrieben sei es den Arbeitnehmern gar nicht gestattet, den Rundfunk zu nutzen oder sie hätten keine Gelegenheit dazu. Die Vermutung, dass Rundfunk bei der Arbeit genutzt werde, treffe gar nicht zu. Dem hielt Eicher entgegen, nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid hätten 85 Prozent der Arbeitnehmer Zugang zu Rundfunk an ihrem Arbeitsplatz. Kirchhof sprach von einer „kommunikativen Allmende“, die durch die Sender für die Gesellschaft erbracht werde. Die Frage, ob dieser Vorteil, der jedermann zugutekomme, über einen Beitrag finanziert werden kann und ob dieser Beitrag wohnungsbezogen eingezogen werden darf, müssen die Verfassungsrichter nun entscheiden. Das Urteil soll in einigen Monaten verkündet werden. (dpa)