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Steuern Staatseinnahmen wachsen nicht wie geplant

Nach aktueller Steuerschätzung vom Finanzministerium sinken die Staatseinnahmen. Es wird dringend zu Reformen gemahnt.

25.10.2018, 23:01

Berlin (dpa) l Angesichts von weltweit zunehmenden Krisensignalen steigen die Staatseinnahmen nicht mehr so stark wie zuletzt. Bund, Länder und Kommunen können bis zum Jahr 2022 aber noch mit 6,7 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen rechnen, als bei der letzten Steuerschätzung im Mai vorhergesagt. „Wir müssen uns auf eine Normalisierung der Einnahmen einrichten“, sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) bei der Vorstellung der Zahlen des Arbeitskreises Steuerschätzung am Donnerstag in Berlin. „Einige der zusätzlichen Mittel sollen in Steueranreize bei der Forschungsförderung fließen.

„Größere neue Spielräume sind nicht sichtbar“, sagte Scholz – und erteilte Forderungen nach einer großen Steuerreform oder einer kompletten Abschaffung des Solidaritätsbeitrags eine Absage. Bei der Mai-Schätzung wurde von den Steuerschätzern noch ein Plus von 63,3 Milliarden Euro bei den Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen bis 2022 berechnet. Die Bundesregierung musste zuletzt bereits ihre Wachstumsprognose auf 1,8 Prozent für das laufende Jahr nach unten korrigieren – auch die aktuellen Ausschläge an den Börsen zeugen von wachsender Nervosität weltweit.

Dennoch hat die Große Koalition bisher noch Rekordeinnahmen für den Bund zu verzeichnen – Grund ist auch die niedrige Arbeitslosigkeit und die Rekordbeschäftigung, die die Steuereinnahmen sprudeln lassen. Seit 2014 konnten Bundeshaushalte ohne neue Schulden aufgestellt werden, zudem könnte in diesem Jahr erstmals seit 2002 wieder die deutsche Staatsverschuldung unter die „Maastricht-Grenze“ von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sinken – und damit unter die eigentlich vorgesehene Grenze für die Stabilisierung des Euros.

Ein Teil der Mehreinnahmen wird in mehrere Milliardenprojekte der Großen Koalition wandern, die ab 2019 ihre Wirkung entfalten. Neben Rentenverbesserungen und Milliardenentlastungen der Bürger bei den Krankenkassenbeiträgen sowie dem neuen Baukindergeld ist ein Entlastungsgesetz mit einem Volumen von 9,8 Milliarden Euro im Jahr geplant. Darüber wird auch die kalte Progression ausgeglichen, die einem neuen Bericht des Finanzministeriums zufolge im laufenden Jahr 32,1 Millionen Steuerzahler mit durchschnittlich 104 Euro betrifft.

Das Problem der kalten Progression entsteht, wenn Einkommens- und Lohnerhöhungen lediglich die Inflation ausgleichen, die Kaufkraft des Arbeitnehmers aber nicht steigt. Durch den Tarifverlauf bei der Einkommensteuer zahlt er dann überproportional mehr Steuern an den Fiskus. Das Gesamtvolumen beläuft sich in diesem Jahr auf 3,3 Milliarden Euro – wird aber entsprechend im kommenden Jahr über das Entlastungsgesetz an die betroffenen Steuerzahler zurückgegeben. Gerade weil sich diese Boomzeiten nun einem Ende entgegenneigen könnten, gibt es eindringliche Reformforderungen an Scholz und Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Die Steuerlast ist auf ein Rekordhoch gestiegen. Deshalb ist es überfällig, Steuern zu senken“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Denn andere EU-Staaten und die USA würden mit Steuersenkungen dortigen Unternehmen Vorteile verschaffen. Die Steuerlast der Unternehmen sollte deshalb von zurzeit mehr als 30 Prozent auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau sinken. „Ein deutliches Signal wäre eine effektive Steuerbelastung der Unternehmen von maximal 25 Prozent.“ Da die Löhne zuletzt stärker gestiegen sind, als die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz angehoben wurde, zahlen Bürger mit einem Jahresverdienst von 55.000 Euro zudem schon den Spitzensteuersatz. Der Steuerzahlerbund fordert daher, den Spitzensteuersatz erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 80.000 Euro greifen zu lassen.