1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Hält der Deal für Ramelow?

Thüringen Hält der Deal für Ramelow?

Thüringen könnte Geschichte schreiben: Nach dem Tabubruch der Wahl eines Ministerpräsidenten mit AfD-Stimmen soll ein Linker zurück ins Amt.

01.03.2020, 23:01

Sie könne auch nicht in die Glaskugel sehen! Mit diesem Satz antwortet Thüringens Linke-Chefin Susanne Hennig-Wellsow auf die derzeit immer wieder gestellte Frage, wie sicher die Wahl von Bodo Ramelow am 4. März zum Thüringer Ministerpräsidenten ist. Fast auf den Tag genau einen Monat nach der Ministerpräsidentenwahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich, bei der erstmals in Deutschland AfD-Stimmen den Ausschlag gaben, wird in Thüringen ein neuer Versuch gestartet, zu einer Regierung zu kommen.

Nach dem Desaster vom 5. Februar geht es allerdings nur noch um eine Übergangsregierung: Der Neuwahltermin 25. April 2021 ist bereits verkündet. Eines ist für Hennig-Wellsow jetzt schon sicher: „Die Landtagssitzung am Mittwoch kriegt, egal was passiert, das Prädikat historisch.“

Hitzig diskutiert wird nicht nur in Thüringen die Frage, wie es Ramelow anstellen will, überhaupt ins Amt zu kommen.

Sein Dreierbündnis aus Linke, SPD und Grünen, das nach dem politischen Beben weiter eng zusammensteht, kommt nur auf 42 Stimmen. Für die Wahl des 64-Jährigen im ersten Durchgang – und nur den soll es nach Meinung der Linken geben – sind jedoch 46 Stimmen nötig. Argwöhnisch wird auf die AfD geschaut, die am Abend vor der Ministerpräsidentenwahl mit ihren Anhängern – und Kerzen – vor die CDU-Zentrale ziehen will.

Dass die AfD auf die CDU zielt, hat einen Grund: Vier Monate nach der Landtagswahl und ihrem wilden Zickzackkurs hat sich die Thüringer Union Verhandlungen mit Ramelow gestellt, um Thüringens Regierungskrise zu beenden. Herausgekommen ist ein Kompromiss – eine Art Vier-Parteien-Allianz gegen die AfD, die im Landtag die zweitstärkste Fraktion nach der Linken und knapp vor der CDU stellt.

„Es ist eine Ausnahmesituation“, sagte der CDU-Chefverhandler Mario Voigt zu der Stabilitätsvereinbarung, die vor gut einer Woche mit dem Ramelow-Lager und gegen den Willen der Bundes-CDU geschlossen wurde. Sie beinhaltet eine befristete, projektbezogene Unterstützung einer möglichen rot-rot-grünen Minderheitsregierung – vor allem beim Haushalt 2021. Im Februar 2021 soll der Landtag aufgelöst und eine Neuwahl eingeleitet werden.

Ramelow sagte nach der Einigung: „Wir werden neue demokratische Wege gehen.“

Doch eine Garantie, dass er die fehlenden vier Stimmen von der CDU bekommt, hat Ramelow nicht. Brauche er auch nicht, sagt der Linke-Politiker, den nach Umfragen eine Mehrheit der Thüringer als Ministerpräsidenten haben will.

Die Christdemokraten erklärten demonstrativ: Die CDU-Fraktion im Landtag wähle Ramelow nicht aktiv als Ministerpräsidenten mit. Ramelow sagt, er sei nach Gesprächen mit vielen Abgeordneten der Überzeugung, dass er bei der Wahl im ersten Durchgang eine Mehrheit bekomme – und AfD-Stimmen keine Rolle spielen. „Deshalb bedurfte es keiner vertraglichen Regelung mit der CDU-Fraktion“ - die ja auch gegen CDU-Parteitagsbeschlüsse verstoßen würde.

In den Landtagsgängen wird spekuliert, wer bei der CDU und möglicherweise bei der FDP Ramelow seine Stimme geben könnte – obwohl beide Parteien mit der Ansage, Rot-Rot-Grün ablösen zu wollen, in die Landtagswahl gezogen waren.

Definitiv kann das wohl niemand sagen - entschieden wird ganz allein in der Wahlkabine. Aber die Sehnsucht nach einem Ende des täglichen Chaos scheint groß zu sein. „Wir haben noch alle den 5. Februar im Kopf. Wir wollen jetzt endlich wieder einigermaßen normal arbeiten“, sagt einer von der CDU.

Argwöhnisch schaut Rot-Rot-Grün auf diesen Montag – da dreht sich das Personalkarussell bei den Christdemokraten. Partei- und Fraktionschef Mike Mohring tritt ab – viele kreiden ihm politische Fehler an, nicht nur beim Debakel der CDU bei der Landtagswahl mit dem Verlust von einem Drittel der Stimmen.

Die Wahl seines Nachfolgers an der Fraktionsspitze könnte ein Signal sein, ob die CDU weiter zum Kompromiss mit Rot-Rot-Grün steht.

Was bleibt, ist die Angst vor erneuten Scharmützeln der AfD mit ihrem Fraktionschef Björn Höcke. Am Montag werde bis Fristende 14 Uhr entschieden, ob die AfD erneut einen eigenen Ministerpräsidentenkandidaten ins Rennen schicke, kündigte Höcke an. Ihren letzten hatte die AfD am 5. Februar im dritten Wahlgang fallengelassen und stattdessen Kemmerich gewählt. (dpa)