1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Krieg als Theater-Stoff

Ukraine-Konflikt Krieg als Theater-Stoff

Stas Zhyrkow, Theaterdirektor in Kiew, inszeniert in Magdeburg und berichtet im Interview über die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine.

Von Steffen Honig 11.04.2017, 01:01

Die Ukraine ist ein Land im Krieg. Wie sehr beeinflusst dies das tägliche Leben?

Stas Zhyrkov: Wir können unsere Flügel nicht ausbreiten, also unser Potenzial in der Ukraine ausschöpfen. Jeden Morgen und jeden Abend hören wir in den Nachrichten, wie viele Tote es im Osten der Ukraine gegeben hat. Alle Fragen kommen immer wieder auf den Krieg zurück. Aber dadurch haben wir auch gelernt, das Leben wirklich wertzuschätzen. Einer der Protagonisten sagt in unserem Stück: „Nur im Krieg habe ich begriffen, dass mein Land meine Familie ist.“

Doch die Debatten über die Zukunft der Ukraine sind heftig.

Das merken wir besonders: Es gibt eine Renaissance des Theaters. Die Vorstellungen in unserem Kiewer „Golden Gate- Theater“ sind ständig ausverkauft. Einige Aufführungen sind somit für Monate ausgebucht.

Schreien die vielen Toten nicht endlich nach einem Ende des Krieges, bei dem es offenbar keinen Sieger geben wird?

Schauen Sie: Nach der Revolution 2013 hat das ukrainische Volk begriffen, dass es niemanden hat, dem es vertrauen kann. Alle ukrainischen Politiker sollten zum Teufel gehen.

Und dann?

Es würden wohl wieder ähnliche Politiker wie die bisherigen an die Macht kommen. Ich glaube, erst in ein oder zwei Generationen werden Leute da sein, die die Ukraine vernünftig regieren werden. Aber auch meine Generation ruht nicht. Ich habe die Hoffnung, durch die Arbeit am Theater etwas verändern zu können.

Solange wird sich nichts tun?

Der Krieg in der Ostukraine wird erst aufhören, wenn es harte Entscheidungen gibt. Jetzt haben wir einen eingefrorenen Konflikt, der Vorteile sowohl für Russland wie für die Ukraine bietet. Russlands Präsident Putin kann seine Intrigen spinnen. Poroschenko kann die Ukraine vor der Weltöffentlichkeit als Opfer darstellen unter dem Motto: Helft uns! Und die Ukrainer werden weiter jeden Tag mit dem Tod konfrontiert.

Präsident Poroschenko hat auf Druck ukrainischer Nationalisten die Eisenbahnverbindungen in den Osten gekappt. Das fördert doch nur das endgültige Ausein- ander der Landesteile.

Das stimmt so nicht.

Wieso? Dass die Bahnstränge in den Donbass abgeschnitten wurden, ist Tatsache.

Ja, aber die Zugverbindungen wurden gekappt, weil wir keinen Handel mehr mit Leuten treiben wollen, die auf unsere Soldaten und Zivilisten schießen. Das hat nichts mit Nationalismus zu tun, sondern mit der Selbstfindung des ukrainischen Volkes. Denn bis zur Unabhängigkeit 1991 galten wir als so etwas wie zweitklassige Russen. Nach der Revolution 2013 wurden Fakten aus KGB-Archiven öffentlich die belegen, dass die ukrainische Intelligenz systematisch dezimiert wurde. Das geschah hauptsächlich in zwei Wellen – in den 1930er und den 1960er Jahren. Bis 2013 waren in der Ukraine zudem viele russische Wirtschaftsmagnaten aktiv. Damit wurden die Parlamentarier in Kiew gefügig gemacht. Russiches Geld hat die Ukraine mitregiert.

Wie steht es um die von Russland besetzte Krim?

Das ist ein sehr schmerzhaftes Thema, auch für mich persönlich. Meine Frau stammt von der Krim und war vier Jahre lang nicht zu Hause., um ihre Eltern und die Großmutter zu sehen. Wir müssen auch vorsichtig sein, weil ich wahrscheinlich auf Verbotslisten stehe. Deshalb müssen meine Frau und mein Sohn derzeit auch auf den Besuch in der Heimat verzichten.

Wie könnte die Zukunft der Halbinsel aussehen?

Die ukrainische Politik hat zu wenig dafür getan, dass sich die Krim-Bewohner in diesem Land heimisch fühlen. Für mich ist die Krim ukrainisch und nicht russisch, aber die Krimtataren haben sie geprägt und deshalb bin ich für eine autonome krimtatarische Republik innerhalb des ukrainischen Staates. Mit Bergen und Meer hat die Halbinsel ein großes Tourismuspotenzial.