Ukraine Sehnsucht nach Frieden

25 Jahre nach der Unabhängigkeit der Ukraine von der Sowjetunion regieren im Land Armut und Krieg.

23.08.2016, 23:01

Kiew (dpa) l Am 24. August begeht die Ukraine den 25. Jahrestag der Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Präsident Petro Poroschenko wird in der Hauptstadt Kiew als Zeichen neu gewonnener militärischer Stärke eine Parade von 4000 Soldaten sowie Panzern, Haubitzen und Raketenwerfern abnehmen.

Denn das Land muss sich wehren, seit Russland 2014 im Handstreich die Halbinsel Krim wegnahm und im Osten einen prorussischen Aufstand mit Soldaten und Waffen anheizte. „Der Krieg für die Unabhängigkeit geht weiter“, sagte Poroschenko bei der Militärparade vor einem Jahr. Trotz einer leichten Entspannung der Lage im Kriegsgebiet Donbass sind bei Kämpfen zwischen der ukrainischen Armee und prorussischen Separatisten mehrere Menschen getötet worden. Die Militärführung in Kiew berichtete am Wochenende von einem getöteten und sechs verletzten Soldaten. Die Umsetzung eines Friedensplans für die Ostukraine kommt seit Monaten nicht voran.

Dabei hatten sich die Ukrainer friedlichen Staat mit starker Wirtschaft erhofft, als das Parlament im August 1991 die Unabhängigkeit ausgerief. Die Schwerindustrie im Donbass, Raumfahrt- und Raketentechnik und die berühmte fruchtbare Schwarzerde boten günstige wirtschaftliche Voraussetzungen für die Ukraine.

Doch in einem Vierteljahrhundert ist Europas zweitgrößter Flächenstaat nicht auf die Beine gekommen, sondern von Krise zu Krise geschlittert. Schuld sind auch verschleppte Reformen, verantwortungslose Eliten und innere Spaltungen. Zwar ist der Graben zwischen dem national-ukrainischen Westen und dem russisch geprägten Osten nie so tief gewesen, wie vom Ausland angenommen; er ist aber auch nie überwunden worden.

Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds ist die Ukraine mit 1790 Euro Durchschnittseinkommen je Einwohner das zweitärmste Land Europas nach der Republik Moldau. Mit Russland konkurriert sie laut Nichtregierungsorganisation Transparency International um den zweifelhaften Titel des korruptesten europäischen Staates.

Die Bevölkerung ist unabhängig von der Annexion der Krim durch Russland geschrumpft durch Abwanderung und geringe Geburtenziffern. Von einst 52 Millionen sind dem Statistikamt zufolge noch 43 Millionen Ukrainer übrig – Tendenz abnehmend.

Zweimal begehrte die Mittelschicht gegen die Zustände auf, in der Orangenen Revolution von 2004 und dem Euromaidan 2013/14. Die Annäherung an den Westen blieb aus. Im Gegenteil verfielen mit jedem Umbruch die schwachen staatlichen Institutionen weiter. Eine unabhängige Justiz und Rechtssicherheit sind trotz wiederholter Anläufe nicht in Sicht. 76 Prozent der Ukrainer finden, dass die Staatsführung das Land in die falsche Richtung lenkt.

Der ehemalige Präsident Viktor Juschtschenko hat mehrfach vor dem Verlust der Staatlichkeit gewarnt. „Die staatliche Unabhängigkeit nehmen wir nicht auf die leichte Schulter, dafür haben wir einen hohen Preis gezahlt. Wir haben im 20. Jahrhundert sechsmal unsere Unabhängigkeit erklärt und sie fünfmal wieder verloren“, sagte er 2008 angesichts des russischen Eingreifens in Georgien.

Die Warnung ist so aktuell wie nie. Moskau hat sich mit der Krim mehr als vier Prozent des ukrainischen Territoriums angeeignet. Weite Teile der ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk stehen unter Kontrolle der von Russland unterstützten Separatisten.

Wie zum Trotz singen die Ukrainer zum Tag der Unabhängigkeit die Zeile ihre Hymne: „Verschwinden werden unsere Feinde“ und schwenken die blau-gelbe Fahne.