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Urheberrechtsreform Ein Bärendienst für die Digitalisierung

Marco Langhof, Chef des Verbandes der IT- und Multimediaindustrie in Sachsen-Anhalt, sieht die EU-Urheberrechtsreform kritisch.

21.03.2019, 23:01

Magdeburg l Vor den europaweiten Protesten morgen äußert sich auch Marco Langhof, Vorstandsvorsitzender der IT- und Multimediaindustrie, im Gespräch mit Redakteurin Maria Kurth zur EU-Urheberrechtsreform.

Volksstimme: Wie wichtig ist es, das EU-Urheberrecht ans digitale Zeitalter anzupassen?

Marco Langhof: Die Digitalisierung hat in den letzten zwei Jahrzehnten immer mehr Bürger zu Publizisten in eigener Sache gemacht. Jeder kann sich im Internet äußern und kreativ tätig werden – eine echte Demokratisierung. Gleichzeitig wird jeder Bürger zu einem potentiellen Gesetzesbrecher in einer teilweise absurden Welt des analogen Urheberrechtes. Die jetzige Reform versucht, deren ‚analoge Kassenhäuschen‘ wie Gema und VG Wort einfach eins zu eins ins digitale Zeitalter zu transportieren – das wird nicht funktionieren und behindert digitale Wirtschaft wie den Bürger gleichermaßen.

Wie ist Ihre Meinung zum umstrittenen Artikel 13?

Die Richtlinie legt fest, wer nun verantwortlich dafür ist, dass die Urheberrechte geschützt werden. Dabei werden jetzt quasi die Spielregeln geändert. Nicht mehr der einzelne Publizist ist verantwortlich, sondern die Plattform, auf der ein Beitrag veröffentlicht wird. So entscheidet also die Plattform darüber, was erlaubt ist und was nicht. Fühlt man sich dabei ungerecht behandelt, wendet man sich nicht an ein deutsches Gericht, sondern z.B. an eine amerikanische Plattform wie Youtube oder Facebook. Es werden also nicht nur die Spielregeln geändert, sondern es werden die Schiedsrichter teilweise ins Ausland verlagert – nicht gut.

Befürworter argumentieren, dass im Gesetztext zu Artikel 13 die Uploadfilter nicht explizit erwähnt werden. Was halten Sie davon?

Die Argumentation ist erstmal richtig, erweist allerdings der Digitalisierung einen doppelten ‚Bärendienst‘. Denn wenn ich keinen automatisierten Hochlade-Filter nutze, muss ich ja alle Inhalte einzeln per Hand prüfen. Das ist Gift für die Digitalisierung. Wenn wir allerdings über Plattformen mit richtig viel Publikumsverkehr sprechen – da kommt ein Anbieter praktisch nicht um einen Uploadfilter herum.

Kritiker sprechen vom „Ende des freien Internets“. Übertrieben oder berechtigt?

Wenn ‚freies Internet‘ bedeutet ‚rechtsfreier Raum‘, dann wäre das Ende zu wünschen. Wenn wir allerdings ‚freies Internet‘ als die Möglichkeit sehen, kreativ zu sein, Diskussionen und Beiträge zu produzieren und mit der Öffentlichkeit zu teilen, dann ist das derzeitige EU-Urheberrecht tatsächlich eine Einschränkung. Es erzeugt Unsicherheit bei Menschen, die eigene Angebote aufbauen wollen. Und es erzeugt zusätzliche Abhängigkeiten von Monopolen.

Betrifft der Artikel 13 überhaupt den Internetnutzer, der Urlaubsfotos ins Netz stellt?

Kommt drauf an, was auf dem Urlaubsfoto zu sehen ist und ob es einem urheberrechtlich geschützten Werk auch nur ähnlich ist. Bereits heute reagieren Uploadfilter der großen Plattformen, wenn Sie ein klassisches Musikstück hochladen, das z.B. von Ihrem Kind gespielt wird oder Sie eine Szene mit populärer Hintergrundmusik zum Beispiel von einem Straßenfest filmen und hochladen.

Anfang März haben mehr als 1000 Menschen in Magdeburg gegen Artikel 13 demonstriert. Hat Sie die große Beteiligung überrascht?

Keineswegs. EU-Interessierte verfolgen das Thema schon seit 2015 und es gab intensive Diskussionen und Aktivitäten in der netzpolitischen Szene. So richtig Fahrt bekommen hat das Thema allerdings, seitdem sogenannte Youtube-Influencer das Thema für sich entdeckt haben – spätestens da ist es bei der Jugend angekommen. Es wird zwar nicht immer sachlich und faktenbasiert diskutiert, aber plötzlich interessiert sich die Jugend für Netz-Politik – ein positiver Nebeneffekt.

Was können die Proteste noch bewirken?

Es ist bedauerlich, dass die breite öffentliche Diskussion so spät startet. Andererseits ist es immer gut, wenn Bürger sich Gesetze nicht nur vor die Nase setzen lassen, sondern verstehen wollen, was diese für sie bedeuten und wie sie zustande kommen. Den Entscheidern sollte es aber auch zu denken geben, dass selbst der Bertelsmann-Konzern – einer der größten Urheberrechte-Händler der Welt – die Reform ablehnt. Ich bin gespannt und habe den Eindruck, dass wir noch nicht am Ende der Diskussion sind.

Alternativvorschläge gab es bisher wenige. Gibt es bessere Wege, um geistiges Eigentum im Netz besser zu schützen?

Die wirklich notwendige Reform des Urheberrechtes wird meiner Meinung nach bislang vollkommen ausgeblendet. Wir müssten uns endlich fragen, warum denn Werke noch bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers geschützt sein müssen – das hat mit Fairness gegenüber den Künstlern nichts zu tun und macht die Handhabung extrem kompliziert. Eine wirkliche Reform muss das ändern und mehr Freiheiten einräumen. Gelingt das nicht, müssen wir dem Bürger als Publizisten zumindest die Möglichkeit geben, einfach zu erkennen, ob ein digitales Werk geschützt ist, wer der Urheber ist, ob eine Gebühr fällig ist und diese auch leicht bezahlbar machen.