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VerfassungsschutzMaaßen legt Bericht zu Chemnitz vor

Mit Äußerungen zu Chemnitz hat Verfassungsschutz-Chef Maaßen Ärger provoziert - nun könnte es bald Klarheit zu seinen Einschätzung geben.

10.09.2018, 16:38

Berlin/Köthen (dpa) l Nach seinen umstrittenen Äußerungen zur Dimension rechtsextremer Übergriffe in Chemnitz hat Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen die Gründe für seine Einschätzung vorgelegt. Allerdings ist sein Bericht bislang nur der Bundesregierung und nicht der Öffentlichkeit zugänglich. Der Bericht des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) sei am Montag im Bundesinnenministerium eingegangen, sagte die Sprecherin des Ministeriums in Berlin. Regierungssprecher Steffen Seibert bestätigte, der Bericht liege auch im Kanzleramt vor. Innenminister Horst Seehofer (CSU) will sich nun persönlich ein Bild machen, außerdem sollen die parlamentarischen Gremien über den Inhalt des Berichts informiert werden.

Maaßen hatte der "Bild"-Zeitung gesagt, es lägen seinem Amt keine belastbaren Informationen darüber vor, dass in Chemnitz nach dem gewaltsamen Tod eines Deutschen vor zwei Wochen "Hetzjagden" auf Ausländer stattgefunden hätten. Damit widersprach er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Seibert. Maaßen sagte weiter, es lägen auch keine Belege dafür vor, dass ein im Internet kursierendes Video zu den Vorfällen authentisch sei.

SPD-Chefin Andrea Nahles hält Maaßens Ablösung für unausweichlich, sofern dieser keine klaren Belege vorlegt. "Sollte er dazu nicht in der Lage sein, dann ist er in seinem Amt nicht länger tragbar", sagte sie. Linke, FDP und Grüne im Bundestag forderten ebenfalls Maaßens Entlassung, falls er keine hinreichenden Belege liefere.

Die Debatte um Rechtsextremismus und Sicherheit in Deutschland gewann nach einem Streit zwischen zwei Männergruppen und dem Tod eines Deutschen im sachsen-anhaltischen Köthen weiter an Fahrt. Ermittler bestätigten, dass der 22 Jahre alte Deutsche am Wochenende an Herzversagen gestorben war. Sie schlossen zwar Verletzungen etwa durch Tritte oder Schläge gegen den Kopf als Todesursache aus – zwei 18 und 20 Jahre alten Afghanen sitzen allerdings wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge in Untersuchungshaft.

Als Reaktion auf den Tod des Mannes hatten rechte Gruppen für Sonntagabend zu einer Demonstration aufgerufen, an der sich rund 2500 Menschen beteiligten. Unter ihnen waren nach Angaben der Sicherheitsbehörden etwa 500 Rechtsextreme aus Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Thüringen. Für Montagabend hat die AfD eine weitere Veranstaltung in Köthen angekündigt.

Bei dem sogenannten Trauermarsch am Sonntag nahm die Polizei zunächst zehn Anzeigen auf. Es werde wegen des Verdachts der Volksverhetzung, der Beleidigung, Verstößen gegen das Versammlungsrecht sowie einer Körperverletzung gegen Pressevertreter ermittelt, sagte Sachsen-Anhalts Landespolizeidirektorin Christiane Bergmann. Derzeit werde das Demogeschehen auf weitere Straftaten hin ausgewertet.

Die Bundesregierung zeigte sich empört: "Dass es (...) am Ende des Tages in Köthen, wie ein Video zeigt, zu offen nationalsozialistischen Sprechchören gekommen ist, auch das muss uns betroffen machen und empören", sagte Regierungssprecher Seibert. Man habe mit Trauer und Betroffenheit auf den Tod des 22-Jährigen reagiert. Wie es dazu kam, und ob die Verdächtigen daran Schuld tragen, sei nun von Polizei und Staatsanwaltschaft zu klären.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte nach den fremdenfeindlichen Demonstrationen von Chemnitz und Köthen den Einsatz aller Demokraten gegen Rechtsextremisten. "Wir müssen in dieser Zeit zusammenhalten", sagte er. Rechtsextremisten würden immer wieder versuchen, die Stimmung aufzuheizen. "Deswegen ist es gerade wichtig, dass Demokraten, anständige Menschen auch bei der Wortwahl aufpassen, dass wir nicht das Spiel dieser Menschen mitmachen und leichtfertig die Stimmung anheizen."

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) lobte die Reaktion der Politik und der Bevölkerung Köthens. Er glaube nicht, dass ein zweites Chemnitz drohe, sagte er. Politik und Bürger hätten rasch reagiert, "von Anfang an klar Kante gezeigt" und sehr verantwortungsbewusst gehandelt.

Vor dem Hintergrund der Debatte über ein Erstarken des Rechtsextremismus in Deutschland verliert die AfD in der Wählergunst. Im aktuellen RTL/n-tv-Trendbarometer liegt sie bei 14 Prozent, das waren 2 Prozentpunkte weniger als in der Vorwoche. Gleichzeitig legt die Linke um 2 Punkte auf 10 Prozent zu. CDU uns CSU kommen auf 31 Prozent (plus 1), SPD 16 (minus 1), Grüne 15 (minus 1) sowie die FDP 9 (plus 1). Allerdings hatte die AfD vor einer Woche, unter dem direkten Eindruck der Ereignisse von Chemnitz, zwei Punkte zugelegt.