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Wahl in Russland Die Schöne und der Zar

Die Russen wählen ein neues Staatsoberhaupt. Es wird wieder Wladimir Putin. Spannend ist allein die Frage, wie hoch die Wahlbeteiligung ist.

Von Steffen Honig 17.03.2018, 00:01

Moskaus l Als am 25. Dezember 1991 über dem Kreml die Sowjetfahne eingeholt wurde, war der KGB-Agent Wladimir Putin am Boden. Seine Welt ging in diesem Moment unter. Putin musste sich umorientieren. Er quittierte den Dienst beim Geheimdienst und tauchte als Mitarbeiter des Petersburger Bürgermeisters wieder auf.

Nun begannen sich die Lebenswege des Ex-Agenten und seiner jetzigen Gegenkandidatin Xenia Sobtschak zu überschneiden: Der damalige Bürgermeister von St. Petersburg war ihr Vater Anatoli.

In Russland ging es zu jener Zeit drunter und drüber. Die Großmacht steckte in einer tiefen Versorgungskrise, der Held des Umsturzes, Präsident Boris Jelzin, verlor rasant an Popularität und fiel durch seine Wodka-Eskapaden unangenehm auf. Der Universitätsprofessor Sobtschak verkörperte das genaue Gegenteil. Er war tatkräftig und reformfreudig und wollte seine Stadt und sein Land schnell aus dem Elend führen. Mit tätiger Hilfe von Wladimir Putin, der in der neuen Aufgabe in seiner Heimatstadt aufging.

Ihm wurden aber auch dubiose Geschäfte im Wert von etwa 100 Millionen Dollar beim damals üblichen Tausch von Rohstoffen gegen Lebensmittel vorgeworfen. Sobtschak rettete Putins Kopf. Xenia Sobtschak war damals ein Teenager. Sie erlebte den Aufstieg und den tiefen Fall ihres Vaters. Der hatte sich so viele Feinde gemacht, dass er nach Korruptionsvorwürfen und Abwahl 1996 nach Paris floh.

Xenia hingegen absolvierte in Petersburg eine Ballett-Ausbildung und studierte dort später Internationale Beziehungen und Politik. In dieses Metier stieg sie aber nicht ein, sondern wurde zur „russischen Paris Hilton“, sprich einem It-Girl. Sie wurde zum Star der Moskauer Partyszene und stieg 2004 übers Reality-TV im „Big Brother“-Format beim Fernsehen ein.

Putin hatte sich inzwischen wieder erfolgreich umorientiert. Nach Moskau, wo er zunächst in den Kremlapparat eintauchte. Es war seine letzte Station vor der Präsidentschaft, die ihm Jelzin Ende 1999 übergab.

Wie seine Karriere weiterging, ist bekannt. Seit mehr als 17 Jahren lenkt er die Geschicke Russlands in autokratischem Stil. Nur einmal stand seine Macht ernsthaft auf dem Spiel. Nach der Präsidentschaftswahl 2011 gab es einen Proteststurm, weil Wahlfäschungsvorwürfe im Raume standen. „Gebt dem Volk seine Stimme zurück!“, lautete einer der Slogans bei den Massendemonstrationen, die sich auf 90 Städte ausdehnten.

Nun zeigte auch Xenia Sobtschak ihre Wandlungsfähigkeit: Sie bezog lauthals Stellung gegen Putin, das politische Ziehkind ihres im Jahr 2000 verstorbenen Vaters. Sie ging in Protest-Camps und wetterte gegen die ausufernde Korruption und Misswirtschaft im Land. Sie färbte die Haare dunkler und arbeitet seither für den russischen Fernsehsender Doschd, dem einzigen halbwegs unabhängigen Kanal in Russland.

Gewinnen kann Xenia Sobtschak bei der Wahl höchstens weiter Bekanntheit. Geunkt wird, dass sie ohnehin eher den heimlichen Segen des Kremls habe. Dagegen spricht, dass Sobtschak nach dem jüngsten Giftanschlag in Großbritannien via „Bild“-Zeitung Sanktionen gegen Freunde von Staatschef Wladimir Putin und korrupte Eliten in Russland forderte. Zugleich forderte die 36-Jährige: „Sanktionen, die nur wieder das einfache russische Volk treffen, darf es nicht geben.“