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Wahl in TürkeiWahlbeobachterin aus Halle festgenommen

Die Wahlen in der Türkei sind beendet. Drei Wahlbeobachter aus Deutschland, darunter eine Frau aus Halle, wurden festgenommen.

24.06.2018, 17:25

Istanbul (dpa) l Die Türkei hat ein neues Parlament und einen künftig deutlich mächtigeren Präsidenten gewählt. Mit den Wahlen wurde die Einführung des von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan angestrebten Präsidialsystems abgeschlossen. Der neue Präsident wird Staats- und Regierungschef und ist mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet. Einen Ministerpräsidenten gibt es künftig nicht mehr. Erdogan ging als Favorit in die Wahl. Wahlbeobachter meldeten Unregelmäßigkeiten.

Umfragen zufolge könnte Erdogan bei der Präsidentschaftswahl die absolute Mehrheit verfehlt haben. Dann müsste er am 8. Juli 2018 in die Stichwahl. Sein Gegner wäre dann aller Voraussicht nach Muharrem Ince, der Kandidat der Mitte-Links-Partei CHP, der größten Oppositionspartei. Auch die absolute Mehrheit von Erdogans islamisch-konservativer AKP im Parlament könnte gefährdet sein, sollte die pro-kurdische HDP die Zehn-Prozent-Hürde übersprungen haben.

Bei Auseinandersetzungen während der Wahlen wurde ein Oppositionspolitiker getötet. Dabei handele es sich um den Bezirksvorsteher der national-konservativen Iyi-Partei in der osttürkischen Provinz Erzurum, teilte Generalsekretär Aytun Ciray am Sonntag auf Twitter mit. Nach ersten Erkenntnissen habe es sich um einen Streit zwischen zwei Familien gehandelt. Ermittlungen hätten begonnen. Weitere Details waren zunächst nicht bekannt.

Drei Deutsche, die auf Einladung der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP die Wahl beobachten wollten, wurden bei der Wahl festgenommen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurden die beiden Männer aus Köln und die Frau aus Halle in Sachsen-Anhalt in Uludere in der südosttürkischen Provinz Sirnak von der Polizei festgenommen. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte die Festnahme.

Wahlbeobachter meldeten besonders aus dem Südosten der Türkei Unregelmäßigkeiten. CHP-Sprecher Bülent Tezcan sagte, in der südöstlichen Provinz Sanliurfa sei am Sonntag versucht worden, Wahlbeobachter mit "Schlägen, Drohungen und Angriffen" von den Urnen fernzuhalten. Im Bezirk Suruc in Sanliurfa "laufen bewaffnete Personen ganz offen herum". Auch die regierungskritische Wahlbeobachter-Plattform dokuz8haber berichtete über Unregelmäßigkeiten in Sanliurfa und in anderen Provinzen.

Der deutsch-türkische Grünen-Politiker Öcan Mutlu, der die Wahl inoffiziell an der Westküste in der Region um Izmir beobachtete, sprach von einem ungewöhnlich großen Andrang an den Wahlurnen. "Es gab schon seit den frühen Morgenstunden überall Schlangen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Außer "einzelnen Wortgefechten" habe er keine Zwischenfälle oder Unregelmäßigkeiten festgestellt. Insgesamt beschrieb der frühere Bundestagsabgeordnete die Stimmung in der Türkei aber als aggressiver als bei früheren Wahlen.

Mutlu erklärte das mit den Umfragen, nach denen eine Wiederwahl Erdogans unsicher ist und die Mehrheit seiner AKP wankt. "Da, wo ich unterwegs gewesen bin, herrscht eine regelrechte Wechselstimmung." Die Gegend, in der Mutlu beobachtete, ist eine Hochburg der CHP.

Knapp 60 Millionen Türken waren zur Wahl aufgerufen. Mehr als drei Millionen davon leben im Ausland. Neben Erdogan bewarben sich fünf Politiker um das Präsidentenamt, darunter neben Ince der inhaftierte HDP-Kandidat Selahattin Demirtas. Die Opposition warnte vor einer "Ein-Mann-Herrschaft" Erdogans. Die Einführung des Präsidialsystems ist sein wichtigstes politisches Projekt.

Die Opposition hat die Rückkehr zum parlamentarischen System versprochen. Dafür wäre allerdings eine erneute Verfassungsänderung notwendig. Die Opposition will außerdem den Ausnahmezustand aufheben.