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Wahlen Thüringer Chaos vorerst beendet

Im zweiten Anlauf und im dritten Wahlgang wurde der Linke Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten bestimmt. Was jetzt passiert ist Neuland.

Von Jens Schmidt 04.03.2020, 21:17

Magdeburg/Erfurt l Die Thüringer Chaostage sind vorerst vorüber. Das Bundesland hat wieder einen handlungsfähigen Ministerpräsidenten. Alter und neuer Amtsinhaber ist Bodo Ramelow. Im dritten Wahlgang erzielte der Linke 42 Ja-Stimmen. 23 Abgeordnete votierten gegen ihn; 20 enthielten sich. Nach Lage der Dinge haben Linke, SPD und Grüne einstimmig ihren Kandidaten gewählt. Die AfD (22 Abgeordnete) und einer aus der CDU haben offenkundig Ramelow abgelehnt. Die 20 Enthaltungen kamen sicherlich aus der CDU. Die FDP-Abgeordneten hatten wie angekündigt an allen drei Wahlgängen nicht teilgenommen, den Saal aber nicht verlassen.

In den ersten beiden Wahlgängen hatte Ramelow mit AfD-Chef Björn Höcke einen Gegner. Doch keiner von beiden erzielte die nötige absolute Mehrheit. Im dritten Wahlgang reichte Ramelow die einfache Mehrheit. Höcke trat nicht mehr an. Nach der Wahl hatte der unterlegene Höcke versucht, Ramelow zu gratulieren. Doch der Linke verweigerte dem Rechten den Handschlag.

Die Wahl am Mittwoch war der zweite Anlauf. Am 5. Februar war Ramelow überraschend gescheitert. Damals wurde FDP-Fraktionschef Thomas Kemmerich zum Regierungschef gewählt – dank der Stimmen der AfD. Kemmerich hatte die Wahl angenommen und damit eine Krise ausgelöst, in deren Folge die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Rückzug angekündigt hat. Kemmerich selbst trat am 8. Februar zurück. Seitdem hatte das Bundesland keine Minister.

Die Linke feiert Ramelows Wahl als „Sieg für die Demokratie“. „Das Chaos hat endlich ein Ende“, sagte Sachsen-Anhalts Linken-Chef Steffen Gebhardt. „Thüringen ist wieder im Bundesrat vertreten – dort ist jede Stimme für den Osten wichtig.“ Doch der Sieg ist kein großer. Ramelows Dreibund hat keine Mehrheit. Er braucht für Vorhaben daher Stimmen aus der Opposition. Die wird er voraussichtlich von der CDU bekommen. Thüringens neuer CDU-Fraktionschef Mario Voigt sagte zu, bei wichtigen Projekten wie etwa dem Haushalt 2021 mitzuwirken: „Wir sind konstruktive Opposition.“ In Sachsen-Anhalts CDU hat man Verständnis dafür, dass sich die Kollegen im Nachbarland für eine Übergangszeit nicht total verweigern. „Da habe ich großes Vertrauen, dass sie die richtigen Entscheidungen treffen werden“, sagte Sachsen-Anhalts CDU-Generalsekretär Sven Schulze. Ein Bundesparteitagsbeschluss verbietet jegliche Kooperation mit Linken wie mit der AfD. Bereits vor der Wahl kochte der Konflikt hoch. Es gab Signale, dass sogar vier CDU-Abgeordnete Ramelow mitwählen würden, so dass der Linke gleich im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit obsiegt hätte. Gestern kam Ramelow der CDU entgegen und befreite sie aus dem Konflikt: Er war bereit, doch in drei Wahlgängen anzutreten. Beim dritten Wahlgang reicht eine einfache Mehrheit. Damit reichte es auch, wenn die CDU sich enthält. Kein Unionsabgeordneter musste Ramelow ein Ja geben.

Ramelows Kabinett wird eine Regierung des Übergangs. Schon in einem Jahr, am 25. April 2021, gibt es eine vorgezogene Landtagswahl. Linke und SPD plädierten für mehr Tempo. Vor allem die CDU bestand wegen des Stimmungstiefs auf einem späteren Termin. Laut jüngster Umfrage würde die CDU von ohnehin mageren 22 Prozent (Wahl 2019) auf 14 Prozent sacken. Die Linke käme auf sensationelle 40 Prozent. Dank ihres populären Spitzenmanns Ramelow war sie bereits 2019 mit 31 Prozent stärkste Kraft geworden.