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Wahlkampf Berlusconi mischt sich wieder ein

Rechte Parolen, unrealistische Wahlversprechen, null Aufbruchstimmung: Der Wahlkampf in Italien verheißt nichts Gutes für die Zukunft.

27.02.2018, 23:01

Rom (dpa) l Leer. Alt. Rostig. Ein Blick auf Tafeln mit Wahlplakaten verrät viel über den Charakter des Wahlkampfes in Italien. Die Poster sind abgeschabt, zerfetzt, einfallslos – wenn die Parteien überhaupt welche aufgehängt haben. Ein Sinnbild für die traurigen Kampagnen im Ringen um die Macht in Rom.

Am Sonntag sind rund 51 Millionen Menschen in Italien aufgerufen, über ein neues Parlament abzustimmen. Statt Erneuerern preisen sich altbekannte Gesichter wie Silvio Berlusconi als Retter der Nation an, die versprechen, die bleierne Lähmung der drittgrößten Volkswirtschaft im Euroraum zu beenden. Nur sein Mitte-Rechts-Bündnis hat eine realistische Chance, eine Regierungsmehrheit zu holen und die Sozialdemokraten abzulösen. „Bunga Bunga“ und Berlusco-nis Dauerkämpfe mit der Justiz scheinen vergessen zu sein.

Das Märchen, das der mehrfache Ex-Ministerpräsident den Wählern erzählt, beginnt schon mit dem Wahlslogan: „Forza Italia. Berlusconi Presidente“. Dabei darf der 81-Jährige selbst nach einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung gar nicht für seine konservative Forza Italia kandidieren. Dem Wähler hat der „Cavaliere“ noch nicht verraten, wer das Amt des Regierungschefs antritt, falls sein Bündnis gewinnt. Als Kandidaten gelten Antonio Tajani, der derzeitige EU-Parlamentspräsident, sowie der Chef der Europäischen Zentralbank Mario Draghi, dessen Amtszeit in Frankfurt im Oktober 2019 endet.

Brüssel mögen diese Personalien beruhigen – und die Forza gilt als europafreundlich. Wäre da nicht Berlusconis „Verbündeter“ im Wahlkampf: Matteo Salvini, Chef der ausländerfeindlichen Lega-Partei. Für den 44-Jährigen ist Europa die „Titanic, die untergeht“. Einen Europafreund wie Tajani oder Draghi als Premier würde Salvini kaum schlucken. Die Lega liegt in Umfragen nur ein paar Punkte hinter der Forza.

Die Wähler beäugen den Schulterschluss skeptisch: Lega-Anhängern ist Berlusconis Linie in Sachen Migration zu seicht, obwohl dieser verspricht, alle „clandestini“, illegalen Einwanderer, aus dem Land zu werfen. Für Forza-Wähler dagegen steht die Lega zu weit rechts.

Seit dem Wahlsieg der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) vor fünf Jahren wächst die Stimmung gegen Einwanderer. Aus Libyen legten Hunderttausende Flüchtlinge in Richtung Italien ab. Auch wenn die Sozialdemokraten es geschafft haben, 2017 die Anlandungen um ein Drittel zu senken: Es wird ihnen nicht als Verdienst angerechnet.

Als ein Rechtsradikaler in der Kleinstadt Macerata auf mehrere Afrikaner schoss und diese verletzte, nutzte das paradoxerweise vor allem den Rechtsextremen. Statt sich zu distanzieren, gab die Lega der Regierung die Schuld. Gehör verschaffen konnte sich nicht Ministerpräsident Paolo Gentiloni und schon gar nicht dessen Vorgänger Matteo Renzi. Viele Italiener sind über die eigene Situation extrem frustriert. Gutausgebildete verlassen in Scharen das Land, die Arbeitslosigkeit liegt bei über elf Prozent. Kein Wunder, dass eine Protestpartei wie die populistische Fünf-Sterne-Bewegung Zuspruch bekommt. Sie ist in Umfragen stärkste Einzelkraft, mit 28 Prozent aber weit von der Mehrheit entfernt. Der Sozialdemokrat Renzi muss sich derweil darauf gefasst machen, das schlechteste Ergebnis in der Geschichte seiner Partei einzufahren. Der Einzige mit stabilen positiven Umfragewerten ist Regierungschef Paolo Gentiloni, wenn auch unter der nötigen Mehrheit von 42 Prozent. Weil diese Mehrheit für keine Partei und kein Bündnis sicher ist, ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass der Sozialdemokrat bis auf weiteres regieren wird. So ist in diesem Wahlkampf schon vom Wahlkampf für eine Neuwahl die Rede. Eine quälende Aussicht.