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Wahlkampfproteste CDU will sich der Wut stellen

Bundeskanzlerin Angela Merkel ruft Parteien auf, sich im Wahlkampf der Wut mancher Bürger zu stellen.

10.09.2017, 23:01

Berlin (dpa/ck) l Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Parteien aufgerufen, sich im Wahlkampf der Wut mancher Bürger zu stellen und gerade dort Präsenz zu zeigen, wo es unbequem ist. Dies sind sie ihrer Ansicht nach auch all jenen schuldig, die sich den zunehmenden Anfeindungen und Störaktionen entgegenstellen. „Da muss die Politik auch Flagge zeigen“, sagte Merkel am Sonnabend bei einer CDU-Wahlveranstaltung in Berlin. Viele Menschen warteten darauf, dass Politiker kämen, andernfalls fühlten sie sich alleinegelassen, hatte sie kurz zuvor bereits in Rostock gesagt.
Merkel war etwa am Freitag bei einem Wahlkampfauftritt in Vorpommern von rechten Demonstranten, darunter NPD- und AfD-Anhängern, mit Pfiffen und Buhrufen begrüßt worden. Ihr Auto wurde mit Tomaten beworfen – so wie sie selbst am Dienstag bereits in Heidelberg. Am Mittwoch wurde ihre Rede im sächsischen Torgau massiv gestört. Auch in Bitterfeld-Wolfen und in Quedlinburg war die CDU-Vorsitzende ausgepfiffen worden.
„Unter dem Banner der AfD stören Rechtsextreme fast alle unsere Veranstaltungen“, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Diese selbsternannten Patrioten sind in weiten Teilen Rechtsextreme, die mit der einen Hand AfD-Plakate schwenken und die andere zum Hitlergruß heben.“
Wahlomat 2017
Merkel berichtete, ihr begegneten auf Wahlveranstaltungen viele „von der AfD und der NPD, einfach mit dem Ziel, andere Menschen beim Zuhören zu stören“. Diese Art von Intoleranz sei „sehr, sehr schwierig“. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) verurteilte die Störaktionen. „Da darf man friedlich protestieren. (...) Aber was nicht geht, ist diese Grenzüberschreitung, die Krawallmacherei“, sagte sie in Rostock.
Meinungsforscher rechnen zwei Wochen vor der Bundestagswahl mit einer deutlich höheren Wahlbeteiligung als vor vier Jahren. 39 Prozent wollten Merkel auf keinen Fall mehr als Kanzlerin haben und gingen deshalb eher wählen, erklärte der Chef des Insa-Instituts, Hermann Binkert, in der „Stuttgarter Zeitung“ . Manche frühere Nichtwähler fänden in der AfD ein Angebot, das sie zur Wahl motiviere.
In der Union heißt es, es sei gelungen, Wahlkampf gegen Rot-Rot-Grün zu machen. Dabei sei aber die Abwehr der Alternative für Deutschland vernachlässigt worden.
In jüngsten Umfragen verliert Merkels Union leicht, ist aber gut zwei Wochen vor der Bundestagswahl weiter klar stärkste Kraft mit 37 bis 39 Prozent – die SPD von Kanzlerkandidat Martin Schulz liegt in etwa auf dem Niveau ihres historisch schlechtesten Wahlergebnisses von 2009 (23 Prozent): nach Befragungen für ARD, ZDF, „Stern“/RTL und „Bild am Sonntag“ bei 21 bis 24 Prozent. Eng ist das Rennen zwischen AfD (9-11), Linken (9-10) und FDP (8-9) um Platz drei. Die Grünen liegen derzeit hinten (8).
Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen sagte bei einem Auftritt in Nürnberg in Bezug auf ein umstrittenes Zitat des Spitzenkandidaten Alexander Gauland: „Unser Ziel ist es, die ganze Regierung Merkel rückstandsfrei zu entsorgen.“ Das sage er „guten Gewissens“, denn es sei ein Originalzitat des damaligen SPD-Chefs Sigmar Gabriel von 2012. Gauland hatte heftige Kritik geerntet für die Aussage, man solle die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), „in Anatolien entsorgen“.
Der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke machte am Sonnabend Wahlkampf im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf – und warnte seine Anhänger vor einer „kulturellen Kernschmelze“ durch Zuwanderung. „Wir verlieren gerade unsere Heimat.“ Höcke ist das prominenteste Gesicht des rechtsnationalen Flügels der Partei. Er selbst kandidiert nicht für den Bundestag. Die rund 150 Teilnehmer der Veranstaltung in einer Gaststätte applaudierten ihm begeistert. Gemeinsam mit Gauland tritt Höcke am Dienstagabend auf dem Magdeburger Domplatz auf.