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Weißrussland Lukaschenko gibt den Friedensengel

Der autokratische Präsident will sich am Sonntag wieder wählen lassen. Zum fünften Mal.

Von Steffen Honig 06.10.2015, 01:01

Berlin l Auch im straff regierten Weißrussland passiert es, dass das Volk gelegentlich gegen die Herrschenden aufmuckt. So geschehen am vergangenen Sonntag, als sich Hunderte in Minsk zu einer nicht angemeldeten Demonstration gegen den geplanten Bau eines russischen Militärstützpunktes zusammenfanden. Ob dies etwas bewirkt, ist zweifelhaft. In Weißrussland wird gemacht, was Präsident Alexander Lukaschenko will.

Der frühere Kolchosvorsitzende ist seit 1994 im Amt und will sich bei Wahlen am kommenden Sonntag als Staatschef bestätigen lassen. Daran gibt es keinen Zweifel, obwohl drei weitere Kandidaten zugelassen wurden. Dafür werden notfalls die regierungstreu besetzten Wahlkommissionen sorgen.

Um das innenpolitische Klima zu entspannen, ließ Lukaschenko im August sechs führende Oppositionelle begnadigen. Sie galten als die letzten politischen Gefangenen. Die Wahl fällt in für Weißrussland schwierige Zeiten. Es herrscht Rezession, erstmalig seit 1994. Die angeschlagene Wirtschaft hat schwer damit zu kämpfen, nicht von den Folgen der gegen Russland gerichteten westlichen Sanktionen weiter mit nach unten gerissen zu werden. Nicht nur ökonomisch sind die Nachbarländer eng verzahnt. Weißrussland war dem großen Bruder bislang in jeder Hinsicht in Nibelungentreue verbunden. Doch zunehmend versucht die Minsker Führung, diese einseitige Ausrichtung zu überwinden.

Denn auch die Mitgliedschaft in der Eurasischen Wirtschaftsunion, die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin initiiert wurde, hat sich für Weißrussland nicht ausgezahlt.

Der durchschnittliche Monatslohn in Weißrussland liegt bei unter 400 Euro. Wenn man einen Job hat – die Arbeitslosigkeit steigt und steigt. Doch selbst den Erwerbslosen greift der klamme Staat noch in die Tasche. Wer keiner Tätigkeit nachgeht, muss nach einem entsprechenden präsidialen Erlass vom Frühjahr dieses Jahres eine Abgabe von umgerechnet 180 Euro an den Staat zahlen. Das bedeutet praktisch einen Arbeitszwang wie zu vergangenen Sowjetzeiten.

Viel Staat lässt sich damit aber nicht machen. Dem häufig als „letzten Diktator Europas“ apostrophierten Lukaschenko fallen seine autokratischen Methoden auf die Füße, die die Europäische Union bereits 1997 dazu veranlasste, die Beziehungen zu Weißrussland einzuschränken. Die angespannten Beziehungen zwischen Europa und der Minsker Führung haben sich seither kaum verbessert, weil von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie im weißrussischen Alltag wenig zu spüren ist.

In diesem Jahr sind jedoch Entspannungssignale zu verzeichnen. Dabei profitiert Lukaschenko ausgerechnet von einem Konflikt in der Nachbarschaft: der Ukraine-Krise.

Die weißrussische Hauptstadt Minsk war es, in der im Februar dieses Jahres das gleichnamige Abkommen zur Beilegung der Kämpfe in der Ostukraine unterschrieben wurde. Inzwischen haben die Ukraine, Russland, Frankreich und Deutschland eine Minsk-II-Vereinbarung folgen lassen, da die Konfliktparteien den ersten Vertrag durch fortgesetzte Gefechte förmlich durchlöcherten. Es gibt berechtigte Hoffnung, dass der Waffenstillstand diesmal hält.

Weißrussland als internationaler Vermittler und ein Scharnier zwischen der EU und Russland – das könnte Lukaschenko die Türen nach Europa wieder öffnen. Dafür muss sich im Land einiges ändern. Die Europäer werden bei der Wahl genau hinschauen. Plumpe Fälschungen oder gar prügelnde Polizisten kann sich der weißrussische Herrscher nicht leisten.