Wiedervereinigung Einheit auf Abstand

Zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung waren die Feierlichkeiten ganz anders geplant gewesen - doch dann kam Corona dazwischen.

07.09.2020, 10:38

Potsdam (dpa) l Ausgerechnet zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit heißt es: Maske auf, Abstand halten. Keine zentrale Feier, keine Fressmeile, kein Zusammenkommen bei Bratwurst und Bier. Stattdessen: eine weitläufige Freiluft-Ausstellung in Brandenburgs Landeshauptstadt Potsdam, die bis zum 4. Oktober dauern soll. Es gehört zur Ironie der Corona-Pandemie, Verbundenheit ausgerechnet durch Distanz auszudrücken.

"Corona hat in diesem Jahr alles anders gemacht", sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bei der Eröffnung der "EinheitsExpo" am Samstag. Anstelle des ursprünglich geplanten Einheitsfestes wie in den Jahren zuvor mit Hunderttausenden Besuchern wurde diese Ausstellung organisiert – und von den Besuchern am ersten Wochenende gut angenommen.

Zum Auftakt hatte Woidke, der als Bundesratspräsident in diesem Jahr Gastgeber der Feierlichkeiten ist, die ersten drei Buchstaben des Mottos "WIR miteinander" enthüllt. Die Bürger könnten stolz auf das sein, was in den in den vergangenen drei Jahrzehnten erreicht worden sei, betonte er.

Angereiste Touristen schauten sich um, Brandenburger machten beim Sonntagsspaziergang einen Abstecher zu der Schau. Einzelne Bereiche mussten aufgrund der vielen Besucher kurzzeitig gesperrt werden, damit die Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden konnten, wie Thomas Braune, Leiter Landesmarketing, sagte. Es kamen deutlich mehr Besucher als erwartet.

Umfragen zeigten, dass die Menschen in Deutschland zufriedener seien als zu jedem Zeitpunkt seit der Wiedervereinigung, heißt es auch im Jahresbericht der Bundesregierung, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. In dem Bericht steht aber auch, dass es noch immer große Unterschiede zwischen Ost und West gebe: "Das gilt für die Bewertung der Demokratie und der politischen Institutionen, bei Einstellungen zu etwas Fremden oder der Verbreitung rechtsextremistischer Orientierungen." Der Prozess der inneren Einheit Deutschlands sei "nach 30 Jahren noch nicht vollständig abgeschlossen".

Brandenburgs Ministerpräsident war am Wochenende aber vor allem zum Feiern zumute: "Genießen Sie Deutschland in den kommenden 30 Tagen", warb Woidke für einen Besuch in Potsdam. Auf 3,5 Kilometern quer durch die Landeshauptstadt – vom Luisenplatz bis zum Landtag im wiederaufgebauten Stadtschloss – zieht sich die Freiluftschau. Das Motto lautet "30 Jahre – 30 Tage – 30 x Deutschland". In gläsernen Pavillons stellen sich die 16 Bundesländer vor. Besucher können die Exponate aus Hygienegründen nur von außen begutachten. Auch der Festakt zum Jubiläum am 3. Oktober in der Metropolishalle wird mit stark reduzierter Gästezahl gefeiert.

Thüringen wirbt für die Bundesgartenschau in Erfurt. Nordrhein-Westfalen stellt sich mit dem Beethoven-Jahr und der "Ode an die Freude" des Komponisten vor. Bremen zeigt die Stadtmusikanten und Bayern bietet per Video den Kontakt mit einem Almbauern. Sachsen begleitet per Video Breakdancer auf Erkundungstour. Brandenburg stellt sich als wasserreiches Land, aber auch als Forschungsstandort vor. Zu besichtigen sind die Boxhandschuhe von Olympiasieger Henry Maske, mit denen er 2007 gegen Weltmeister Virgil Hill siegte.

Im Pavillon des Bundesrates ist unter anderem eine Replik des Rednerpultes zu sehen. Der Bundestagespavillon zeigt ein Foto von der Reichstagsverhüllung durch den Künstler Christo, der in diesem Jahr 85 Jahre alt geworden wäre. Beim Bundesverfassungsgericht wird per Foto ein Blick in den Sitzungssaal gewährt, dazu im Original die leuchtend rote Robe eines Richters präsentiert. Erstmals beteiligt sich außerdem der Bundespräsident an einem Bürgerfest.

Die Einheits-Kommission der Bundesregierung beteiligt sich mit einer gläsernen Box an der Ausstellung, die von Künstlern alle drei Tage neu gestaltet wird. Zum Auftakt gibt es eine grüne Rasenfläche mit noch kahlen Stellen: als Zeichen dafür, dass Deutschland noch zusammenwachsen muss.

Der Kommissionsvorsitzende und Ex-Ministerpräsident von Brandenburg, Matthias Platzeck, hätte sich übrigens ein anderes Datum als den 3. Oktober als Nationalfeiertag gewünscht. Für ihn seien der 9. Oktober - an dem Tag fand 1989 die große Leipziger Demonstration statt – oder der 9. November – Tag des Mauerfalls – besser geeignet, sagte er am Samstag im rbb inforadio. Die beiden Tage seien "hochgradig emotional besetzt", während der 3. Oktober eher der Verwaltungsvollzug der deutschen Einheit gewesen sei.