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Zeitgeschichte Relikt vom Ende des Prager Frühlings

Vor 50 Jahren endete der Prager Frühling. Ein Magdeburger besitzt ein besonderes Zeitzeugnis des Widerstandes.

Von Steffen Honig 21.08.2018, 01:01

Magdeburg l Der Morgenappell im Ferienlager fiel an diesem Tag aus, die Erzieher waren geschockt – so erinnerte sich der damals 13-jährige Roland Lischke an den Schicksalstag vor 50 Jahren. In der Nacht zum 21. August hatte sowjetische Truppen sowie Soldaten aus Polen, Ungarn und Bulgarien die Grenze zur ČSSR überschritten und das Land besetzt. Die NVA der DDR war nicht dabei. Moskau untersagte ihr Mittun – die Erinnerung an durch Prag marschierende deutsche Wehrmachtssoldaten wirkte nach.

Für Lischke, fast 40 Jahre lang als Pfarrer in Magdeburg tätig und heute im Ruhestand, bestimmten der Prager Frühling und dessen Niedergang den Lebensweg mit. „Ich war gegen alles, was totalitäre Züge trug“, erklärt er. Er studierte Theologie und spielte in einer Band, die den DDR-Behörden suspekt war. Im Urlaub waren der Pfarrer und seine Familie häufig in Osteuropa unterwegs – so auch in der Tschechoslowakei.

Besonders gut erinnert sich Lischke an ein Camping zehn Jahre nach dem Frühjahr 1968 in Branik am Stadtrand von Prag. „Dort bin ich mit einem Tschechen näher in Kontakt gekommen, der in der Nähe lebte. Wir haben – trotz der Verständigung mit Händen und Füßen, Russisch wollten wir beide nicht reden – schnell erkannt, dass wir auf einer Wellenlänge lagen.“ Der Prager nahm Lischke mit in seine Wohnung und gab im die „Květy“-Ausgabe vom Einmarsch-Tag in die Hand. „Bei dir ist sie sicherer aufgehoben!“

Gedruckt worden sein muss das Blatt, als die Russen längst in Prag waren. Dies beweist das Foto vom Nationaldenkmal am Veitsberg (oben links), wo Losungen die russischen Soldaten aufforderten, nach Haus zu marschieren und die Einheit des tschechoslowakischen Parteichefs Dubček und des Präsidenten Svoboda beschworen.

Das Foto rechts oben dokumentiert die Gewalt, mit der der Einmarsch vor sich ging. Gefragt wird auf Tschechisch und Russisch: Warum? Ja, warum? Weil Moskau und Ost-Berlin den Zusammenbruch des Ostblocks fürchteten. Die Gruppen, die ihn später durchsetzten, sieht Lischke als Vollender des Prager Frühlings.