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Betrug Geschäft mit Plagiaten boomt

Laut Studien sind sieben Prozent der Waren, die in die EU importiert wurden, gefälscht. Nur selten gelingt dem Zoll ein lohnender Aufgriff.

11.06.2019, 15:14

Frankfurt Oder (dpa) l Martin Ruppmann ist sichtbar geschockt. Der Geschäftsführer des Kosmetikverbandes (VKE) steht vor 16 Paletten mit gefälschtem Markendüften in einer Aservatenhalle des Hauptzollamtes Frankfurt Oder und hält zwei Flakons in den Händen. "Das ist erschreckend beeindruckend, teuflisch gut gemacht", sagt er und kneift prüfend die Augen zusammen. Auf den ersten Blick sind die aus Metall und Glas kompliziert zusammengesetzten Parfümbehälter nicht zu unterscheiden.

"Doch bei der Kopie wurde schlampiger gearbeitet, sieht man Nähte und Fehler im Metall. Außerdem ist der Original-Duft deutlich dunkler und riecht viel intensiver", stellt er fast schon triumphierend fest. Ruppmann ist vom Fach. Sein Verband vertritt 60 namhafte Hersteller von Kosmetika. Er hat täglich mit der Bekämpfung von Markenpiraterie zu tun. "Die Billigkopien stammen allesamt aus China", sagt er.

Für den Laien seien Original und Plagiat nur schwer zu unterscheiden, gibt er zu. "Und selbst wenn: Da steht auf dem Verkaufstresen das Original zum Probieren, dann greift der Verkäufer eine geschlossene Verpackung unter dem Tisch und verkauft diese Kopie an den Kunden". Im Internet boome das Geschäft, aber auch bei fliegenden Händlern, erklärt er. "Vieles kommt als Fracht über den Hamburger Hafen, aber auch über große Flughäfen ins Land."

Auch auf den Grenzmärkten entlang von Oder und Neiße werden fast nur billige Kopien verkauft: Bekleidung, Sonnenbrillen, Spielzeug, Uhren oder eben Parfüm. "Solange jemand nur für den eigenen Bedarf in geringer Stückzahl kauft, darf er es nach Deutschland einführen", sagt Astrid Pinz, Sprecherin des Frankfurter Hauptzollamtes.

Rund 24.000 Flakons – angeblich unterschiedlicher Marken und Hersteller – hatten Zöllner 2015 auf einem polnischen Laster auf der Autobahn 12 entdeckt. "Ursprünglich bestand die Ladung aus 50.000 Parfümpackungen, einen Großteil haben wir bereits vernichten lassen", erklärt die Sprecherin.

Schon die Kombination unterschiedlicher Marken auf einem Transporter sei ein Anhaltspunkt dafür, dass etwas nicht stimme, sagt Ruppmann. "Die Parfümproduzenten machen keinen Gemischtwarenhandel, jedes Unternehmen hat eine eigene Logistik", erklärt er. Diese Hersteller von Markenwaren haben sich bei der Zentralstelle für gewerblichen Rechtsschutz in München registriert. Im Auftrag dieser Unternehmen achtet der Zoll gewissermaßen als Dienstleister an der Grenze bei der Einfuhr von Waren ins Bundesgebiet auf mögliche Verstöße. Und wenn dann der Rechteinhaber anordnet, dass die Plagiate vernichtet werden müssen, sorgt ebenfalls der Zoll dafür – allerdings auf Kosten des jeweiligen Auftraggebers.

Dass die 24.000 Kopie-Flakons und Creme-Döschen noch in der Aservatenhalle lagern, liege auch an der komplizierten Entsorgung, erklärt die Zollsprecherin. "Bisher haben wir die Flakons schreddern lassen. Die Firma bekommt die Reste aber anschließend nicht verkauft. Nun muss das gefälschte Parfüm als Sondermüll wohl in eine Müllverbrennungsanlage, was die Entsorgung teurer macht und mit den Rechteinhabern erst abgestimmt werden muss."

Der süßliche Parfümgeruch mischt sich in dem Lager mit dem markanten Duft von Tabak – noch immer Hauptschmuggelgut an der deutsch-polnischen Grenze. Sechs Millionen Zigaretten beschlagnahmten Bedienstete des Frankfurter Hauptzollamtes insgesamt im vergangenen Jahr. 2019 entdeckten sie bereits auf einem einzigen Transporter zwei Millionen Glimmstängel, erzählt Pinz.

Markenpiraterie spiele nur eine untergeordnete Rolle. "So ein Glücksgriff wie 2015 ist bloßer Zufall. Die meisten Plagiate entdecken wir im Postverkehr", sagt sie. Die mobilen Zoll-Kontrollgruppen können an der 260 Kilometer langen Grenze zwischen Gartz (Uckermark) und Forst (Spree-Neiße) nur stichprobenartig agieren. Deswegen sei die Dunkelziffer hoch, sind sich die Zollsprecherin und Ruppmann einig. Und der VEK-Geschäftsführer hat noch eine ganz andere Befürchtung. "Wenn China seine neue Seidenstraße umsetzt, kommen die Züge aus Asien über Frankfurt (Oder) nach Deutschland. Wer will da noch kontrollieren, was da wirklich transportiert wird?"

Um Verbraucher über Markenpiraterie aufzuklären, ist der VDK am 31. August dieses Jahres erstmals beim Tag der Offenen Tür im Hauptzollamt dabei. Es soll auch vor den unbekannten Inhaltsstoffen in den Kosmetik-Fälschungen gewarnt werden. "Die Käufer tragen sich das Zeug bedenkenlos auf die Haut auf, ohne zu wissen, was drin ist. Gibt es anschließend Gesundheitsprobleme, fällt das auf den eigentlichen Markenhersteller zurück und schädigt seinen Ruf", gibt Ruppmann zu bedenken.

Fälschungen von Markenprodukten seien ein gewaltiges Problem, bestätigt auch Peter Gretenkord, Sprecher des Aktionskreises gegen Produkt- und Markenpiraterie e.V., und verweist auf mehrere Studien. Demnach seien fast sieben Prozent aller in die Europäische Union importierten Waren im Wert von 121 Milliarden Euro Fälschungen. Die Schäden allein für deutsche Unternehmen lägen bei rund 50 Milliarden Euro pro Jahr. "Sie investieren in Forschung, Entwicklung und das Marketing ihrer Produkte, die Fälscher haben diese Kosten nicht." Kopiert werde alles, was Profit verspreche.