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Bilanz Entzauberung des coolen Papstes

Nach fünf Jahren im Amt im Vatikan in Rom hat Papst Franziskus Freunde gewonnen, aber auch Feinde gemacht

26.02.2018, 23:01

Rom (dpa) l Franziskus hat vor fünf Jahren den Stuhl Petri erklommen, den „Thron“ der katholischen Kirche. Nach dem Rücktritt von seinem deutschen Vorgänger Papst Benedikt XVI. versprach der bis dahin im Vatikan eher unbekannte Argentinier von Anfang an Erneuerung der Kirche. Doch auch ein so populärer Papst wie Franziskus ist an seine Grenzen gestoßen. Den einen ist der 81-Jährige zu modern, manche halten ihn gar für populistisch. Den anderen setzt er zu wenig von seinen Versprechen um.

Schon gleich nach seiner Wahl am 13. März 2013 war klar: Dieser Jorge Mario Bergoglio macht alles anders. Zum ersten Mal seit rund 1000 Jahren wählte ein Pontifex keinen Namen eines anderen Papstes, sondern den eines Heiligen, den von Franz von Assisi. Er verzichtet auf die roten Papstschuhe und auf die Gemächer im Apostolischen Palast. Ein Papst, der die Herzen des Volkes berührt und nicht die der Theologen: Man mochte diesen Franziskus irgendwie, und wenn man nichts mit der Kirche am Hut hatte, fand man ihn zumindest kurios.

Franziskus setzt stärker auf die persönliche Gewissensentscheidung des Einzelnen, zeigt sich tolerant gegenüber Wiederverheirateten, Homosexuellen und Protestanten oder Priestern, die ihr Amt wegen einer Frau aufgeben. Er regt Debatten über die Zukunft des Zölibats an. Ihm geht es darum, auf den jeweiligen Einzelfall zu schauen, statt auf Dogmen und Moralvorgaben herumzureiten. „Es gibt eine erfrischende Offenheit. Man kann wieder offener reden“, beschreibt der Kirchenrechtler Thomas Schüller von der Universität Münster das Klima unter Franziskus.

Franziskus hat seine Versprechen, „an die Ränder“ zu gehen, wahr gemacht. Er hat Kardinäle aus entlegenen Regionen ernannt. Bei seinen Reisen sucht er sich Länder wie Südkorea, Albanien, Bangladesch oder seinen Heimatkontinent Lateinamerika aus. Europa steht für ihn nicht gerade im Fokus. Auch gesellschaftlich geht er an die Peripherie, lädt Obdachlose oder Flüchtlinge in den Vatikan ein und trifft regelmäßig Häftlinge und Ausgegrenzte.

Doch auch wenn Franziskus im Gegensatz zu seinem menschenscheuen Vorgänger Benedikt die Kirche so manch einem wieder sympathischer gemacht hat: Es hat sich eine Gegenwehr gegen ihn formiert, die der Vatikan-Experte Marco Politi mal einen „Bürgerkrieg im Untergrund“ genannt hatte. Vier Kardinäle, darunter der deutsche Walter Brandmüller und der mittlerweile verstorbene Joachim Meisner, forderten den Papst offen heraus und verlangten Aufklärung über sein Familienschreiben „Amoris Laetitia“, in dem Franziskus einen offeneren Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen fordert. Eine andere Gruppe sammelte Unterschriften und bezichtigte den Papst der Häresie, also des Abweichens von der kirchlichen Lehre.

Innerhalb der Kurie macht sich Franziskus außerdem keine Freunde, wenn er zu den traditionellen Weihnachtsansprachen die Mitarbeiter des kirchlichen Verwaltungsapparats förmlich herunterputzt und Arroganz und Eitelkeit anprangert.

„Ein charismatischer Papst reicht nicht aus, um in kurzer Zeit alle Problemfelder abzuarbeiten“, sagt Kirchenrechtler Schüller. „Auch dieser Papst ist auf Gedeih und Verderb auf Leute angewiesen, die seine Ideen umsetzen.“ Es geht irgendwie nicht so recht voran mit der Reform der Kurie.

Das eine sind Mitarbeiter, die nicht mitziehen wollen. Das andere sind Fehltritte, die sich Franziskus selbst geleistet hat. So zum Beispiel beim Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche. Bei seiner Chile-Reise im Januar verteidigte der Papst einen Bischof, der eine Pädophilen gedeckt haben soll, und stieß die Opfer vor den Kopf. Auch die päpstliche Kinderschutzkommission kommt mit der Arbeit nicht richtig vorwärts.

Nach fünf Jahren Franziskus hat eine Art Entzauberung eingesetzt. Und vielen Menschen vor allem in Deutschland scheint der Papst sowieso egal zu sein. „Es gibt keinen Franziskus-Effekt in dem Sinne, dass die Menschen wieder in die Kirche eintreten“, sagt Leven. „Der Papst ist als Medienfigur positiv, er wird auf internationaler Ebene gehört. Aber ein cooler Papst macht die Kirche nicht cooler.“