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Doppelgängerin Merkel-Double freut sich auf mehr Ruhe

Die Ähnlichkeit mit Kanzlerin Angela Merkel brachte Ursula Wanecki 2005 einen aufregenden Nebenjob. Nun kommt das Ende einer Ära.

05.12.2018, 10:32

Attendorn (dpa) l Hosenanzug mit rotem Blazer, Bernsteinkette, die hellbrauen Haare zum adretten Bob mit Stirnfransen geföhnt: Ursula Wanecki könnte eine ganz normale Büroangestellte aus dem Sauerland sein. Doch wenn sie mit Bodyguards und schwarzer Limousine durch Berlin fährt, wird sie zur Illusion der mächtigsten Frau im Land. Ursula Wanecki sieht Angela Merkel sehr ähnlich – vor allem bewegt sie sich wie die Bundeskanzlerin. Seit vielen Jahren tritt sie deshalb immer wieder als Merkel-Double auf. Und was kommt, wenn Merkels Macht schwindet?

"Ich freue mich, dass es dann ein bisschen ruhiger wird – für Frau Merkel und für mich", sagt Wanecki. Nach 13 Jahren ist die gefragte Doppelgängerin ein wenig amtsmüde geworden. Das passt: Am Freitag gibt Angela Merkel nach 18 Jahren den CDU-Vorsitz auf. "Wenn alles so läuft, wie ich mir das vorstelle, können wir dann zum Ende ihrer Kanzlerschaft 2021 gemeinsam in den Ruhestand gehen", sagt die 61-Jährige. Sie sitzt bei einer Tasse Kaffee in einer Wohnung am Stadtrand von Attendorn im Sauerland. Vor sich ausgebreitet liegen Fotos und weitere Erinnerungen an das, was sie "die große Abenteuerreise ihres Lebens" nennt.

Alles begann 2005 mit einem Karnevalskostüm. Weil sich ihre ursprüngliche Kostümidee zerschlug, plante sie kurzfristig um, schlüpfte erstmals in die Rolle, die ihr wie auf den Leib geschneidert ist: "Ich muss eigentlich kaum etwas verändern, um Merkel zu sein. Wie ich stehe, wie ich gestikuliere, meine ganze Aura passt irgendwie", sagt Wanecki.

Und es stimmt: Die Schultern leicht vornüber gebeugt sitzt sie da, wenn sie gestikuliert tanzen zwar die Hände, doch die Oberarme bleiben nah am Körper. "Die Frisur hat Frau Merkel eigentlich von mir geklaut – nicht umgekehrt", sagt sie und kichert glucksend auf zurückhaltende Merkel-Art. Nur ihr polnischer Akzent entlarvt sie sofort: Wanecki stammt unüberhörbar nicht aus der Uckermark.

Sie ließ sich überreden, Fotos zu einer Double-Agentur zu schicken – und wird seither als "ähnlichste deutsche Doppelgängerin der deutschen Bundeskanzlerin" vermarktet. Sie tritt auf in Fernsehclips und -filmen, etwa für die "Heute-Show" oder das Pro7-Magazin "Galileo", besucht als Überraschungsgast Geburtstage oder Feste, begleitet Firmenausflüge durch Berlin.

Für Wirbel sorgte 2015 ihr Auftritt in einem Werbeclip für das Lesbenmagazin "Straight": Wanecki verkörpert darin die Kanzlerin – sitzend auf der Bettkante, von hinten schmiegt sich zärtlich eine hübsche Geliebte an. Bevor sie zusagte, diese Rolle zu spielen, habe sie gezögert, sagt Wanecki. "Mir ist es wichtig, die Kanzlerin nicht lächerlich zu machen. Sie soll immer Staatsfrau bleiben" Die wichtige Botschaft, dass Homosexualität etwas Normales sei, habe ihr am Herzen gelegen.

"Ich wollte das nie lange machen", sagt sie im Rückblick. Sie habe ja nicht ahnen können, dass Merkel eine derart dauerhafte Karriere hinlegen würde. Aus ihrer Bewunderung macht sie keinen Hehl: "Frau Merkel ist für mich eine große Demokratin, die viel für unser Land getan hat", sagt sie. "Ich bin auch stolz, dass ich das Double der mächtigsten Frau der Welt bin." Ihr Hobby habe ihr eine Welt geöffnet, die ihr sonst verborgen geblieben wäre.

"Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht auf meine Ähnlichkeit zu unserer Bundeskanzlerin angesprochen werde", sagt Wanecki. Sie sei nicht traurig, dass das Rampenlicht in Zukunft weniger werden könnte: Sie hat genug vom Lampenfieber und der Aufregung, ihren Auftraggebern alles recht zu machen. Seit Merkel durch die Flüchtlingskrise für manche Menschen zur Hassfigur geworden sei, habe sich auch Angst eingeschlichen. "Das ist alles ist anstrengend geworden. Ich freue mich, ein bisschen kürzer treten zu können."

Ähnlich gelassen sehen es auch andere, die in der Rolle als Angela Merkel in den vergangenen Jahren Erfüllung gefunden haben, etwa die Kabarettistin Marianne Schätzle vom Bodensee, die als "Angela die Zweite" ihre Doppelgängerin gibt. "Die Leute haben sich immer gefreut", sagt sie.

Dass sie Angela Merkel ähnlich sieht, sei ihr zunächst gar nicht aufgefallen. Auf Zuraten ihres Publikums habe sie die Merkel-Nummer in ihr Programm aufgenommen und wegen des Erfolgs nicht wieder abgelegt. Kennengelernt hat sie die Echte nie. Und jetzt, wo Merkel geht? Für Marianne Schätzle ist das gar kein Problem: "Es ist dann doch auch einfach mal gut."

Für einen "Abschied auf Raten" zeigte sich die Merkel-Parodistin Antonia von Romatowski dankbar: Als Merkel vor Wochen ihren Rückzug als CDU-Chefin verkündete, aber angab, Bundeskanzlerin bleiben zu wollen, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur: Sie parodiere und imitiere Merkel schon seit 15 Jahren und sei sich immer sehr bewusst gewesen, dass dieser Zeitpunkt irgendwann kommen werde. "Aber es ist so, dass ich schon vor mehreren Jahren begonnen habe, mich mit anderen Politikerinnen zu befassen." Auch Annegret Kramp-Karrenbauer gehört dazu. Künftig werde für diese Rollen "mehr Platz geschaffen, und das ist ja auch schön".

Ursula Waneckis Vorfreude auf die Zeit nach der Merkel-Ära macht sich auch an etwas ganz Profanem fest: Anders als Merkel trägt Wanecki gerne lackierte Fingernägel. Nach ihrer Double-Karriere wird das wieder möglich sein: "Dann gehe ich erstmal ins Nagelstudio."