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Forschung Hart am Wind auf der Venus

Roboter sollen den Boden des Nachbarplaneten der Erde erkunden - Surfen auf der Venus.

Von Uwe Seidenfaden 06.10.2019, 01:01

Magdeburg l Auf einem Surfboard mit Rädern und einem Segel entlang der Küste rasen: Für die meisten Kitebuggy-Fahrer ist genau das die Erfüllung ihres Traums von scheinbar grenzenloser Freiheit. Davon inspiriert arbeiten amerikanische Raumfahrtingenieure an einem automatischen Gefährt, das die Oberfläche der Venus erkunden soll.

Auf dem Nachbarplaneten weht der Wind unablässig aus Westen und es gibt ausgedehnte, von erkalteter Lava eingeebnete Flächen sowie Wüsten: Ideale Bedingungen also für künftige Kitebuggy-„Raumfahrer“, wären da nicht weitere Hindernisse.

Die tollkühne Idee zu einem Venus-Kitebuggy hatte der Raumfahrt-ingenieur Geoffrey Landis vom Glenn-Forschungszentrum der US-Luft- und Raumfahrtbehörde Nasa in Cleveland, Ohio. Bereits seit über einem Jahrzehnt sucht er nach Möglichkeiten, die Atmosphäre und die Oberfläche der Venus mit Robotern zu studieren.

Das ist keine leichte Aufgabe. Der Planet besitzt eine sehr dichte Atmosphäre, deren Druck am Boden fast dem in Tausend Meter Meerestiefe auf der Erde entspricht. Hinzu kommen Oberflächentemperaturen von über 450 Grad Celsius. Nur viermal gelang es in den 1970er und 80er Jahren sowjetischen Landesonden, Oberflächenbilder und Messdaten zu gewinnen. Die Landekörper ähnelten Taucherglocken. Sie sendeten nur einige Stunden – kein Vergleich zu den Marsrobotern, die seit mehreren Jahren über den äußeren Erd-Nachbarplaneten Mars rollen.

Die meisten Kenntnisse über die Venus-Oberfläche verdanken Forscher daher Raumsonden, die aus der Umlaufbahn heraus die Atmosphäre und die Oberfläche fernsondierten. Einige grundlegende Fragen konnten sie aber nicht beantworten. Gibt es auf der Venus noch immer aktive Vulkane und wenn ja, wie viele? Gab es in der Vergangenheit einmal Wasser auf der Oberfläche und wenn ja, wann und wie ist es verschwunden? Sind Teile der Oberfläche mit einem dünnen Film aus Metall überzogen? Und schließlich die wohl wichtigste Frage: Warum entwickelten sich die nahegelegenen Zwillingsplaneten Venus und Erde so unterschiedlich? Niemand kennt bislang die Antwort auf diese Frage.

Für einen Menschen ist die Venus die Hölle. Selbst im Raumanzug könnte er dort nicht überleben. Wertvolle Erkenntnisse versprechen zukünftig Bodenerkundungen in einem größeren Umkreis durch Roboter-Fahrzeuge. Wegen der extremen Umweltbedingungen kommen die für den Mars entwickelten Rover für eine Venus-Erkundung nicht infrage. Die Venus-Vehikel müssen Hitzebeständiger, leichter und zudem stabiler sein.

„Zephyr“ soll all diese Anforderungen erfüllen. Dabei handelt es sich um einen dreirädrigen Roboter mit einem Dreieckssegel aus hitzeresistenten Verbundfasern und knapp zwölf Quadratmeter Segelfläche. „Es gibt nur zwei bewegliche Teile, um das Segel zu setzen“, so Landis. Mit einer Masse von 250 Kilogramm ist „Zephyr” etwa so schwer wie ein VW-Kleinbus. Sein Segelmast reicht bis in 5,4 Meter Höhe. Daran angebracht sind mehrere Kameras, die eine räumliche Rundumsicht und Navigation erlauben sollen. Solarzellen sorgen ausschließlich für die Energieversorgung der wissenschaftlichen Experimente.

Der Wind am Venus-Boden sollte ausreichen, um den etwa 250 Kilogramm schweren Segelroboter mit maximal Fußgängergeschwindigkeit über den Boden zu bewegen, so die Berechnungen. Täglich könnte er etwa 15 Meter zurücklegen – was etwa der Geschwindigkeit des bis vor kurzem durch Solarenergie betriebenen Mars-Rovers „Opportunity“ entspricht.

Damit auch der On-Bord-Computer in der Höllenhitze auf der Venus funktioniert, benötigt „Zephyr“ eine neue, auf Silizium-Karbid und Silizium-Nitrid basierende Elektronik. Maximal könnten so täglich über acht Stunden lang Daten von der Venus-Oberfläche mittels eines Relais-Satelliten im Planeten-Orbit zur Erde übertragen werden. Ziel ist es, dass „Zephyr“ bis zu 50 irdische Tage lang Daten überträgt. Bis alle technischen Probleme gelöst sind, ist noch viel zu tun. Deshalb hat die amerikanische Luft- und Raumfahrtagentur Nasa noch keinen konkreten Termin zum Start der Zephyr-Mission bekannt gegeben. Die Mission steht jedoch auf der Top-Liste der Planetenforscher für das 21. Jahrhundert.