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Forschung Japaner dürfen Mensch-Tier züchten

Japanische Forscher möchten menschliche Organe in Tieren heranwachsen lassen und damit künftig Patienten helfen. Doch es gibt Kritik.

31.07.2019, 23:01

Tokio/Berlin (dpa) l Weltweit erstmals haben japanische Forscher eine Genehmigung zur Zucht menschlicher Organe in Tieren bekommen. Das zuständige Gremium des japanischen Wissenschaftsministeriums segnete den Beginn der Forschung mit menschlichen Stammzellen ab, die in Tierembryonen eingepflanzt und dann von den Tieren ausgetragen werden sollen. Das bestätigte Ayako Maesawa, Direktorin beim Ministerium in Tokio, gestern der dpa. Die Erlaubnis bezieht sich jedoch nur auf ein Forschungsprojekt der Universität Tokio.

Ziel solcher Forschung ist es, später einmal Menschen zu helfen, die bisher vergeblich auf ein Organ warten. Weltweit wurden bislang nur Versuche mit Embryos aus menschlichen und tierischen Zellen genehmigt, die früh getötet wurden. Jetzt dürfen die Organe bis kurz vor der Geburt des Fötus heranwachsen.

„Mit der Züchtung von Mensch-Tier-Mischwesen wird eine Grenze überschritten, die wir als Menschen nicht überschreiten dürfen“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach dem „Spiegel“. „Das ist ein klarer ethischer Megaverstoß.“ Auch Jens Reich, Mediziner und Molekularbiologe am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin, kritisierte die Versuche.

Ein Forscherteam der Universität Tokio um den Wissenschaftler Hiromitsu Nakauchi will sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) von Menschen zunächst in Em­bryos von Mäusen einpflanzen. Die Embryos seien genmanipuliert, so dass sie keine eigene Bauchspeicheldrüse ausbilden, so die Ministeriumssprecherin. Es sei zu erwarten, dass die heranwachsenden Föten Bauchspeicheldrüsen-Gewebe aus den menschlichen iPS-Zellen entwickeln. Die Mäuseföten sollen von Artgenossen ausgetragen und kurz vor der Geburt getötet werden. Während der Schwangerschaft solle zudem herausgefunden werden, ob sich auch woanders im Körper der Tiere menschliche Stammzellen verbreiten, so Maesawa.

Nakauchi habe bereits 2017 iPS-Zellen von Mäusen in Rattenembryos eingesetzt, die keine Bauchspeicheldrüse entwickeln konnten, schreibt der Asien-Korrespondent von „Nature“, David Cyranoski, in dem Fachjournal. Die Ratten entwickelten daraufhin Bauchspeicheldrüsen, die ausschließlich aus Mäusezellen bestanden. Eingesetzt in eine Maus mit Diabetes habe das Organ den Blutzuckerspiegel kontrolliert, wie es seine Aufgabe ist.

Das Team will menschliche iPS-Zellen in einem weiteren Versuch auch in Embryos von Affen und Schweinen einpflanzen. Diese sollen jedoch nicht ausgetragen werden. Man wolle die Embryos lediglich züchten, um herauszufinden, zu wie viel Prozent sie aus iPS-Zellen bestehen.

Hybrid-Embryos aus Mensch und Tier seien zuvor schon in den USA und anderen Ländern gezüchtet worden, schreibt Cyranoski in „Nature“. Sie wurden jedoch immer sehr früh getötet. Nakauchis Projekt sei das erste, das unter einem neuen japanischen Gesetz von einem Ministeriumsgremium abgesegnet worden sei.

„Es ist sehr heikel, solche Versuche zu machen“, sagte der Molekularbiologe Reich. „Die Gefahr ist immer bei solchen Sachen: Man gibt ja sehr potente menschliche Stammzellen in einen tierischen Embryo hinein und kann dann nicht mehr verhindern, dass die etwas machen, was nicht mehr kontrollierbar ist. Zum Beispiel in dem Versuchstier Hirnzellen, Nervenzellen bilden.“ Das sei ethisch nicht tolerierbar. „Die Integration bedeutet, dass es sehr schwer zu kontrollieren ist, dass wir nicht zum Schluss Hirnchimären haben.“ Das sei das Schrecklichste. In Deutschland würde keine Ethikkommission solche Versuche tolerieren.