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Notaufnahmen Wenn Patienten pöbeln und prügeln

Kliniken berichten von zunehmender Gewalt in Notaufnahmen.

04.11.2016, 23:01

Stuttgart (dpa) l Bedrohungen, Beschimpfungen und Schläge: Viele Kliniken in ganz Deutschland berichten von zunehmender Gewalt in den Notaufnahmen. Mitarbeiter sind besorgt. Immer mehr Notaufnahmen verfügen mittlerweile über einen eigenen Wachschutz und bieten Mitarbeitern ein Training im Umgang mit gewalttätigen Patienten an.

Die meisten Kliniken führen keine genaue Statistik über Gewalt und Aggression in den Notaufnahmen. Das Diakonissenkrankenhaus in Karlsruhe aber hat im vergangenen Jahr eine Risikoanalyse durchgeführt. Sie zählten 970 Fälle aggressiven Verhaltens in der Notaufnahme und der Intensivstation, davon 166 Fälle körperlicher Gewalt. In 42 Fällen wurden Mitarbeiter verletzt. Gründe der Gewalt seien unter anderem „eine ausgeprägte Ich-Bezogenheit der Patienten“, erklärte die Weiterbildungsbeauftragte Barbara Sayer, die gerade zwei Mitarbeiter zu Deeskalationstrainern schulen lässt.

Im Klinikum Nürnberg melden die Mitarbeiter monatlich rund 30 bis 40 Entgleisungen von Patienten oder ihren Angehörigen. Das Klinikum lässt sich Maßnahmen gegen Übergriffe jährlich eine halbe Million Euro kosten.

„Wir wollen kein Patienten-Bashing betreiben, die große Mehrzahl ist sehr kooperativ und geduldig“, meint Michael Wünning, Sprecher der zen­tralen Notaufnahmen in Hamburg. Die Zahl der Delikte steige mit der Zahl der Patienten. „Es gibt physische Gewalt, es wird mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen oder es werden Finger ausgerenkt.“

Denn die Notaufnahmen werden immer voller: Patienten schätzen die Dringlichkeit der Behandlung falsch ein oder wollen nicht auf den Termin beim Facharzt warten. Zur Überfüllung der Wartesäle trägt nach Meinung von Wünning auch das Internet bei. „Dr. Google findet zu jedem harmlosen Symptom mindestens eine lebensbedrohliche Diagnose“, sagte er. Und: „Beim jetzigen Arbeitsmarkt kann sich kaum jemand leisten, krank zu sein. Dann geht er lieber um 22 Uhr in die Notaufnahme.“

Auch sprachliche und kulturelle Barrieren gehörten zu den Ursachen der Spannungen. Man könne aber aggressiven Patienten nicht einfach einen Hausverweis erteilen.