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Parade in Berlin Wofür ist der Christopher Street Day gut?

Christopher Street Days zeigen, dass das Leben mehr ist als die Welt der zwei Geschlechter, die einander begehren.

22.07.2016, 23:01

Berlin (dpa) l Jedes Wochenende gibt es zurzeit woanders einen Christopher Street Day, also lesbisch-schwule Demos, an diesem Sonnabend zum Beispiel in Berlin – Motto: „Danke für nix“. Trotz aller Aufgeklärtheit verkrampft mancher bei dem Thema – nicht zuletzt weil es öfter sprachliche Verwirrung gibt und eine Menge Abkürzungen.

Warum heißen die Paraden und Partys Christopher Street Day?

Die Demos und Feste mit diesem Namen, oft CSD abgekürzt, erinnern an Vorfälle um den 28. Juni 1969. Nach einer Polizeirazzia in der Bar „Stonewall Inn“ in New York kam es zum Aufstand von Schwulen, Lesben und Trans-Menschen in der Christopher Street. Deswegen steht der Name der Straße für Widerstand gegen Diskriminierung. International wird eher von „Pride“ (Stolz), auch Gay Pride, gesprochen. Trotz Bezugs zu New York ist die Bezeichnung „CSD“ also etwas ziemlich Deutsches.

Oft werden in Medien von den CSD-Paraden nur Dragqueens und halbnackte Teilnehmer gezeigt – alles nur Klischee?

Nach den Gesetzen menschlicher Aufmerksamkeit ziehen nackte Haut und gebrochene Männlichkeitsvorstellungen die Blicke und Kameras besonders auf sich. Natürlich gibt es auch ganz andere Teilnehmer. Das Spiel mit Klischees und Tabubrüchen sowie Provokationen gehören zum Kampf für Vielfalt.

Sind die Paraden in Deutschland noch nötig?

Es kommt auf den politischen Standpunkt an, wie man die CSD-Paraden und ihre Forderungen zum Beispiel nach einer kompletten Öffnung der Ehe inklusive gemeinsamem Adoptionsrecht für Lesben oder Schwule sieht. Manche verstehen das als übertriebene Minderheitenforderung nach Gleichstellung von eigentlich Ungleichen. Andere sehen darin einen wichtigen Teil von Menschenrechtspolitik, der für die gesamte Gesellschaft wichtig ist: nämlich, dass Erwachsene grundsätzlich das Recht haben sollten, einander zu heiraten – egal welches Geschlecht. Das seit 2001 existierende Lebenspartnerschaftsgesetz wäre dann nur eine Übergangsregelung gewesen.

Mit welchen Begriffen redet man am besten über Homosexuelle und Menschen, die nicht dem heterosexuellen Mainstream entsprechen?

Es sind viele Abkürzungen im Umlauf. LGBT steht beispielsweise für Lesbian, Gay, Bi und Trans. Es ist aber auch die Rede von LSBTTIQ, was dann lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, transgender, intersexuell und queer meint. Die Frage ist, ob man darauf mit Akzeptanz oder Marginalisierung reagiert.

Was bedeutet „queer“?

Queer meint alle Menschen, die ihre Identität als abweichend von der herrschenden Heteronormativität empfinden. Das kann auch Asexualität oder Polyamorie (Menschen in mehr als einer Partnerschaft) mit einbeziehen.

Verstehen sich LGBT tatsächlich als eine Gruppe?

Die unter LGBT subsumierten Menschen werden oft nur zusammengefasst, um alles, was irgendwie nicht-heterosexuell zu sein scheint, als Gruppe benennen zu können. Dabei gehen die Interessen zuweilen ziemlich weit auseinander.

Wo verlaufen Trennlinien zwischen LGBT?

Trans-Menschen verbindet oft wenig mit Schwulen und Lesben, denn es geht nicht um Begehren und sexuelles Verlangen, sondern erstmal um geschlechtliche Identität. Weiterer Denkanstoß: Bisexuellen geht es in erster Linie nicht darum, das gleiche Geschlecht lieben zu dürfen, sondern sie verlieben sich in Menschen, egal welche äußeren Geschlechtsmerkmale es gibt. Bei „BT“ geht es also in gewissem Sinne darum, binäres Geschlechterdenken zu überwinden, bei „LG“ geht es darum, in der herrschenden Welt der zwei Geschlechter das eigene ohne Anfeindung begehren zu können.