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Prozess Rentner tötete zwei Menschen

Ein 85-Jähriger steht in Bad Säckingen vor Gericht, weil er in eine Menschenmenge fuhr und dabei zwei Menschen getötet hat.

02.05.2017, 23:01

Bad Säckingen (dpa) l Der alte Mann auf der Anklagebank stellt sich den Fotografen und Kamerateams, als er in den Gerichtssaal geht. „Mein Mandant steht zu diesem Verfahren“, sagt sein Anwalt Michael Vogel zum Prozessauftakt am Dienstag im Amtsgericht Bad Säckingen. Der 85-Jährige, das wird er über den Anwalt erklären lassen, leidet bis heute unter dem, was vor knapp einem Jahr in der kleinen Stadt im Süden Baden-Württembergs geschehen ist. „Es wäre besser gewesen, wenn ich den Unfall nicht überlebt hätte“, gibt der Angeklagte über seinen Anwalt zu Protokoll. Er selbst habe nicht die Kraft, sich selbst vor Gericht zu äußern. Das Amtsgericht in der 17.000 Einwohner zählenden Kleinstadt, direkt an der Grenze zur Schweiz, verhandelt einen Fall, der im Mai 2016 überregional Schlagzeilen machte. Er wirft generelle Fragen auf, es geht um Senioren im Straßenverkehr. Bei dem Unfall gab es zwei Tote und 27 Verletzte.

Der Rentner fuhr dabei mit seinem Auto über das Kopfsteinpflaster sowie durch zwei Straßencafés der belebten Altstadt und kam erst an der Sitzbank vor einem Modegeschäft zum Stehen. Das Auto erfasste Menschen an Café-Tischen und Passanten. „Die Menschen hatten keine Chance, auszuweichen“, sagt ein Polizeibeamter, der als einer der ersten Helfer vor Ort war. Die Innenstadt war damals, an einem Samstagmittag im Frühling, gut besucht.

Der Rentner hat der Anklage zufolge beim Wenden auf der Parkplatzsuche im Innenstadtverkehr Gas und Bremse seines Automatikautos verwechselt. Der Wagen schoss in die Menschenmenge. Das Auto, sagt die Staatsanwältin, fuhr mit mindestens 40 Kilometer pro Stunde durch die Fußgängerzone.

Im Wagen saßen der Rentner, auf dem Beifahrersitz die Ehefrau sowie auf der Rückbank die damals 36 Jahre alte Enkelin. „Es war wie ein Alptraum“, erinnert sich die junge Frau, die in dem Prozess als Zeugin auftritt. Großeltern und Enkelin wollten in der Stadt gemeinsam Mittagessen gehen. „Wir haben uns alle darauf gefreut.“

Plötzlich kollidierte ein Fahrradfahrer mit dem Auto. Der Großvater habe Panik bekommen und auf das Gaspedal getreten. „Er war starr vor Schock. Und plötzlich schoss das Auto los. Ich habe Schreie gehört und nur gehofft, dass das Auto bald stoppt.“ Der Angeklagte, sagt sein Anwalt, habe seit 1965 den Führerschein. Und war seither stets unfallfrei unterwegs.

Der Unglücksort ist nur wenige Meter vom Gericht entfernt. Der Unfall hatte eine Debatte über Senioren als Autofahrer ausgelöst. Das Bundesverkehrsministerium sowie der ADAC lehnten danach eine strengere Überprüfung von Senioren mit Pflichttests erneut ab. Der ADAC rief Senioren aber dazu auf, sich selbst kritisch unter die Lupe zu nehmen und im Zweifel Rat bei einem Mediziner zu holen.

Solche Fälle gebe es immer wieder, vor allem Autos mit Automatikgetriebe seien bei Senioren beliebt. Bei Fahrzeugen mit Handschaltung sei diese Gefahr nicht so groß, die Beschleunigung geringer. Zudem würge das Auto dann meist ab und komme so zum Stillstand.

„Mich dem Gericht zu stellen, ist das Mindeste, was ich tun kann“, lässt der Angeklagte in Bad Säckingen seinen Anwalt sagen. Er höre und sehe schlecht, dem Prozess könne er nur mit Mühe verfolgen: „Ich hoffe, dass ich das Geschehene in der Lebenszeit, die mir noch bleibt, verarbeiten kann.“

Ihm drohen bei einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung laut Strafgesetzbuch (StGB) bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Bei fahrlässiger Körperverletzung sind es bis drei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe. Den Führerschein musste er gleich nach dem Unfall abgeben. Autofahren darf der Senior seitdem nicht mehr .