1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Deutschland sucht Super-Astronautin

Raumfahrt Deutschland sucht Super-Astronautin

Eine Personalvermittlerin will die erste deutsche Frau ins All bringen. Auch die Sachsen-Anhalterin Christiane Heinicke hat sich beworben.

12.09.2016, 23:01

Berlin (dpa) l Gerade erst von der simulierten Mars-Expedition zurück, will Christiane Heinicke nun wirklich ins All. Sie ist eine von 400 Frauen, die den Traum haben, ab 2020 für zehn Tage mit einer privaten Mission zur Internationalen Raumstation ISS zu fliegen – als erste deutsche, klassisch ausgebildete Astronautin. Bisher waren nur deutsche Männer im All – elf an der Zahl. Zuletzt war Alexander Gerst auf der ISS. Und er startet 2018 gleich noch einmal. Ist das fair?

„Der Traum allein reicht nicht“, sagt Claudia Kessler. Die Luft- und Raumfahrttechnikerin ist Personalvermittlerin in der hoch spezialisierten Weltraum-Branche. Noch viel lieber wäre die Bremerin selbst ins All geflogen. „Aber ich war immer zur falschen Zeit im falschen Alter“, bedauert sie. Bei der Mondlandung 1969 war sie vier. Mit ihrer Initiative „Die Astronautin“ will Kessler nun einer Frau die Chance ermöglichen. Die große Zahl geeigneter Bewerberinnen macht sie glücklich. Gleichzeitig nützt der Personalvermittlerin die Flut an Berwerbungsmappen, um ihre Personal-Datenbank aufzufüllen.

Monatelang hat Kessler die Profile von Kampfpilotinnen, Ingenieurinnen oder Medizinerinnen gesichtet, darunter auch das der Geophysikerin Christiane Heinicke. Sie hat gerade für ein Nasa-Experiment mit fünf Wissenschaftlern ein Jahr lang das Leben auf dem Mars simuliert, abgeschieden auf einem Vulkan auf Hawaii.

Am 14. September werden Dutzende Top-Kandidatinnen der mehr als 400 Bewerberinnen in Berlin präsentiert. Spätestens Ende September sollen dann die 90 Kandidatinnen feststehen, die eine Runde weiterkommen. Ab Oktober geht es für sie beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in die psychische und medizinische Testphase. Bis März 2017 soll eine Kandidatin feststehen – und die Finanzierung möglichst auch.

In Deutschland hat es einen Raumfahrt-Hype wie in den USA und der früheren Sowjetunion nie gegeben. Im Kalten Krieg war für die Weltmächte der Kampf ums All ideologisch aufgeladen. Die Frauenfrage handhabten sie unterschiedlich. Während die Russen bereits 1963 die Kosmonautin Valentina Tereschkowa in den Weltraum schossen, musste die erste Nasa-Astronautin Sally Ride noch bis 1978 warten.

Für Europa entscheiden nicht die einzelnen Staaten, wen sie ins All schicken. Die Esa wählt aus, wer sich für Missionen eignet. Seit 1988 gibt es gemischte Teams, seit 20 Jahren ist der Anteil von 15 Prozent Frauen unter den Bewerbern gleich geblieben. Zuletzt stellte die Italienerin Samantha Cristoforetti den Rekord für Frauen mit fast 200 Tagen im Weltraum auf. Da die Europäer aber nur wenige Astronauten auf der einzigen Raumstation ISS stellen, ist die Chance auf die teure Ausbildung gering – das Korps besteht zurzeit nur aus 14 Astronauten. Unter den jüngsten sechs, im Team mit Alexander Gerst, ist Jetpilotin Cristoforetti die einzige Frau.

Finanzieren sollen die mehr als 30 Millionen Euro teure Astronautinnen-Ausbildung und den späteren Trip ins All Sponsoren. Kessler ist überzeugt, dass es klappt. Firmen würden im All gern Experimente durchführen lassen, zum Beispiel zur Materialforschung. Dafür würden sie auch bezahlen, sagt sie. Die Berliner Charité sehne sich nach Daten aus erster Hand, wie Herz-Kreislauf-System, Muskeln oder Knochen von Astronautinnen reagierten. Das DLR finanziert die Tests der 90 Kandidatinnen im Oktober, weil es so wenige Daten von Frauen gibt.

Claudia Kessler will mit ihrer ungewöhnlichen Initiative auch mehr Mädchen für Naturwissenschaften begeistern. Den Traum vom Weltall hat sie noch nicht aufgegeben. „Vielleicht werden kommerzielle Reisen irgendwann erschwinglich“, sagt sie.

Genau vor zehn Jahren verwirklichte sich die gebürtige Iranerin und Unternehmerin Anousheh Ansari diesen Herzenswunsch: Sie war die erste Weltraumtouristin. Kostenpunkt: 20 Millionen Dollar.