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Schokofahrt Radfahren für zwei Tonnen faire Schokolade

Eine Gruppe von Fahrradfahrern aus Oldenburg versucht mit einer besonderen Aktion auf umweltfreundliche Schokolade aufmerksam zu machen.

27.04.2019, 23:01

Oldenburg/Amsterdam (dpa) l Bei bestem Frühlingswetter rollen sieben schwer beladene Fahrräder vor den Weltladen in Oldenburg. Die Fahrer haben soeben die letzte Etappe einer fast 700 Kilometer langen Tour beendet. "Ich bin total erfüllt, alles hat hervorragend geklappt", sagt Organisator Dieter Hannemann. Alles sieht nach einer normalen Urlaubstour aus, bis die Fahrer ihre Packtaschen öffnen – statt Zelt und Isomatte kommen 75 Kilogramm Schokolade zum Vorschein.

Schokofahrt nennt sich die Radtour, an der Hannemann über die Ostertage bereits zum dritten Mal teilgenommen hat. Mehr als 130 Fahrradbegeisterte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz trafen sich in Amsterdam, um eine wertvolle Fracht abzuholen: Bio-Schokolade, die von der Bohne bis zur Tafel fair produziert ist. Der Kakao wurde zuvor mit einem Segelschiff emissionsfrei nach Amsterdam gebracht. Mit der fertigen Süßware ist eine Gruppe sogar 1300 Kilometer weit bis Wien geradelt.

Die Aktion soll ein Zeichen setzen bei dem, was sonst ein Massenprodukt ist. In Deutschland werden nach Angaben des Deutschen Süßwarenverbandes zehn Prozent der Welt-Kakaoernte verarbeitet. Daraus entstand 2017 mehr als eine Million Tonnen Schokolade. Die Fragen an die Industrie: Wie nachhaltig ist der Anbau der Kakaobohnen in Afrika oder Südamerika? Und wie umweltfreundlich ist die Transportkette bis zum Verbraucher in Europa?

Am Punkt klimafreundlicher Transport setzen die Schokofahrer an. "Das ist etwas, worauf heute noch wenig geachtet wird", sagt einer der Gründer der Aktion, Nikolai Wystrychowski. "Schokolade ist oft so günstig, dass die meisten sich wenig Gedanken darüber machen, wie viel Arbeit dahinter steckt. Wir wollen die Wertschätzung dieser Arbeit steigern."

Mit der Initiative "Lasse – dein Lastenrad für Münster" unternahm er im Frühjahr 2017 die erste Tour. Ziel war es, auf Lastenräder als alternatives Transportmittel aufmerksam zu machen. Bei jener ersten Schokofahrt holten er und seine Mitstreiter 60 Kilogramm Schokolade aus Amsterdam.

Die Hauptstadt der Niederlande ist einer der wichtigste Kakaohäfen. Mehr als ein Viertel der weltweiten Produktion werde in Amsterdam angelandet, sagt Schokoladenproduzent Enver Loke. Gemeinsam mit seinem Freund Rodney Nikkels gründete Loke vor acht Jahren die Firma "Chocolatemakers", aus der die faire Nascherei der Schokofahrt stammt.

Loke und Nikkels kennen die Bauern in Südamerika persönlich und legen Wert auf faire und umweltfreundliche Produktionsbedingungen. Dafür zahlen sie rund 350 Dollar (313 Euro) mehr pro Tonne Kakao. Ansonsten liegt der Weltmarktpreis derzeit bei 2200 US-Dollar je Tonne. "Wir wollen gemeinsam mit den Bauern gucken, wie ihr Lebensstandard verbessert werden kann", sagt Loke. Er hofft, dass die Schokolade eines Tages ohne den Einsatz von Erdöl produziert und transportiert werden kann.

Ein Teil seines Kakaos wird mit dem Segelschiff über mehrere Monate aus der Karibik nach Europa transportiert. In Amsterdam liefern die "Chocolatemakers" ihre Ware mit dem Lastenrad aus. Eine Initiative wie die Schokofahrt ist Loke in den Niederlanden nicht bekannt. "Vor zwei Jahren sind Nikolai und seine Freunde hier zu viert angekommen, dieses Jahr kommen rund 130 Lastenradfahrer und holen 18.000 Tafeln ab. Das hätte ich nicht für möglich gehalten", sagt er.

Die Oldenburger Gruppe hat in sechs Tagen knapp 700 Kilometer zurückgelegt. Verkauft wird die Amsterdamer Schokolade im Weltladen, der auf fair gehandelte Produkte setzt, oder in Fahrradgeschäften. Meist ist die Ware schnell weg. Wer nicht auf die nächste Ladung warten möchte, kann seine eigene Schokofahrt machen. Denn obwohl sich die Fahrer meist zweimal im Jahr in Amsterdam treffen, organisiert jede Stadt ihre Tour eigenständig und ehrenamtlich. Einen Leitfaden hat die Ortsgruppe Münster für die Schokofahrt-Website erstellt.

Erstmals ist dieses Jahr auch eine Gruppe aus Bremen mitgeradelt, organisiert von Wolfgang Bevern vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC). Mehr als 90 Kilo haben sie mit fünf Personen transportiert. "Das war beeindruckend und ein ganz tolles Event in Amsterdam", sagt Bevern. Der Rückweg war durch starken Ostwind zwar anstrengender als erwartet. Trotzdem hofft Bevern, dass es nur die erste von vielen Bremer Schokofahrten war. "Ich denke es ist ganz wichtig zu zeigen: So ein Transport mit dem Fahrrad funktioniert, auch über größere Distanzen."

Der Anteil der Schokofahrer am Gesamttransport von Schokolade ist zwar nur winzig. Die Industrie hat viel aufzuholen. Doch auf den Zug mit der Nachhaltigkeit sind die großen Firmen bereits aufgesprungen. Die deutsche Süßwarenindustrie nimmt für sich in Anspruch, dass vergangenes Jahr bereits 62 Prozent des verarbeiteten Kakaos aus zertifiziertem Anbau stammte.

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