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Sprachforschung Wenn einem vom Pferd erzählt wird

Mit tierisch bildhafter Sprache lässt sich vieles erklären. Doch wo liegt eigentlich des Pudels Kern? Und was hat Goethe damit zu tun?

Von Christian Satorius 03.03.2018, 23:01

Berlin l In unserer Alltagssprache tümmelt sich allerlei Getier, oft ohne dass es uns überhaupt bewusst wird. Manchmal kann man noch erahnen, was sich hinter all dem sprachlichen Viehzeug eigentlich verbirgt, welchen ursprünglichen Sinn die bildhaften Vergleiche aus der Tierwelt einmal hatten und woher sie kommen. Der Bock, den man zum Gärtner macht, ist so ein Fall. Ziegenböcke mögen an sich zwar nette Tierchen sein, im Garten losgelassen, mutieren die Hornträger schnell zur Fressmaschine und machen sich in Windeseile über all das Grünzeug her. Logisch also, dass man einen Ziegenbock nie in den Garten lassen darf. Ganz fatal wäre es, ihn gar mit der Pflege und Aufsicht der Grünanlagen zu betrauen, ihn eben zum Gärtner zu machen.

Heutzutage würden wir wahrscheinlich ganz andere Vergleiche wählen, um in einprägsame bildhafte Worte zu fassen, dass jemand vollkommen ungeeignet für eine gestellte Aufgabe ist. In früheren Zeiten aber war die Verwüstung, die Ziegen im Grünzeuglager anrichten konnten, allgegenwärtig und jedem gut bekannt; so haben unsere Vorfahren diesen Vergleich gewählt.

Genauso erklärt sich auch die Sache mit dem geschenkten Gaul, dem man nicht ins Maul schaut. Pferdenarren werden schnell zu echten Narren, wenn sie vor dem Kauf nicht das Gebiss des Tieres checken. Allerdings hat es auch früher schon als unhöflich gegolten, Geschenke zu überprüfen. Man nimmt also das Präsent an, bedankt sich und verschenkt es weiter. Trost für den Beschenkten, nicht allerdings für das Geschenk: Schindmähren kann man ja notfalls auch noch essen.

Pferde sind vor gar nicht allzu langer Zeit ebenso allgegenwärtig präsent gewesen, wie für viele Zeitgenossen die Ziegenböcke und der Vogel, der seinen Namen ruft: der Kuckuck. Über ein Kuckucksei freut sich nur der Kuckuck selbst, alle anderen Beteiligten, die andersartigen Vögel, die es ausbrüten und die Leute, denen man es im übertragenen Sinne ins ebenso übertragene Nest legt, mögen es gar nicht, quasi an der Nase herumgeführt zu werden.

An der Nase herumgeführt, wird in vergangenen Tagen der Tanzbär, der mit dem Zirkus oder dem Jahrmarkt in die Städte kommt. Überall wo Zirkus und Jahrmarkt ihre Zelte aufschlagen, ist mal etwas los, ja der Bär ist los, auch wenn er sich nicht ohne Ketten und Gitter frei bewegen kann. Was der Bär von der ganzen Angelegenheit hält, interessiert die allermeisten Leute damals nicht.

Dabei sind Bären eigentlich nette Tiere - es sein denn, sie erweisen einem einen Bärendienst. Spätestens hier beim Bärendienst kommt man durch reines Überlegen und in der Vergangenheit kramen kaum hinter den Ursprung des Begriffes. Hier muss man eine Fabel von Jean de La Fontaine kennen: Der Bär und der Gartenfreund. In dieser Geschichte erschlägt der liebe Bär aus Versehen seinen schlafenden menschlichen Freund, eben den Gartenfreund. Eigentlich will er diesem einen Gefallen tun und eine Fliege verscheuchen, die sich auf dem Gesicht des Schlafenden niederlässt. Das Ergebnis ist zwar durchschlagend, aber eben leider nicht nicht das gewünschte. Anstelle eines Gefallens hat der Bär seinem Freund so einen wahren Bärendienst erwiesen.

Auch auf der Suche nach des Pudels Kern muss man belesen sein. In Goethes Faust folgt dem Doktore ein schwarzer Pudel ungefragt. Als das pudelige Hündchen sein wahres Wesen offenbart, den bösen Mephistopheles, kommentiert Dr. Faustus die Aktion mit: „Das also war des Pudels Kern!“

Den wahren Kern der Sache hat man auch in Troja nicht erkannt, als man das hölzerne Pferd mit den verborgenen feindlichen Soldaten im Bauch als Geschenk annahm. Aber naja, einem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul und erst recht nicht in den Bauch. Es gibt Germanisten, die meinen, „jemandem vom Pferd erzählen“ ließe sich von eben dieser Begebenheit ableiten. Andere sind der Ansicht, dass jemand, der hoch zu Ross sitzt, von diesem herunter zum Fußvolk nur überheblich, quasi von oben herab redet. Damit bekäme das „vom Pferd erzählen“ allerdings eine ganz andere Bedeutung. Sicher dürfte sein, dass Pferdeverkäufer auch früher schon ihre Ware über den grünen Klee gelobt haben und „vom Pferde erzählt“ im Prinzip auch in Richtung „Rosstäuschen“ gehen könnte.

Ist das Pferd nun „unter aller Sau“, dann hat das mit den Rüsseltieren nichts zu tun. Vielmehr leitet sich diese „Sau“ wohl vom jiddischen „seo“, was so viel wie „Maßstab“ bedeutet, ab. Ähnlich wie der Sau ergeht es auch dem Frosch im Hals. Dieser entstammt wohl einem Sprachspiel und ist nicht wörtlich zu nehmen. Der „Frosch“ heißt auf latein „rana“, „ranula“ nennt sich die „Fröschleingeschwulst“ und die sitzt im Hals. Der Frosch ist nur ein methaphorischer.

Ein Sprachspiel könnte man auch in Griechenland vermuten, denn wieso sollte man sonst Eulen nach Athen tragen? Einige Wissenschaftler gehen davon aus, hier ginge es um Aristophanes Komödie „Die Vögel“, in der die Frage auftaucht: „Wer hat die Eule nach Athen gebracht“. Eulen sind zu dieser Zeit als Symbol der Göttin Athene in der Stadt noch häufig anzutreffen, stehen für Klugkeit. Es gibt allerdings Sprachwissenschaftler, die der Meinung sind, dass mit den Eulen nicht direkt das Flattervieh, sondern im übertragenen Sinne die mit dem Abbild einer Eule versehenen Geldstücke gemeint seien, von denen es früher in der reichen Stadt Athen genug gegeben hätte.

Im Endeffekt geht es um überflüssiges Tun. Wer weiß, vielleicht setzt sich die Bezeichnung „Eule“noch im heutigen Griechenland für das 1-Euro-Stück durch, denn macht sich das Federtier hier auf der Rückseite der Münze breit. Vielleicht sprechen wir dann vom „Euros nach Athen tragen“, wer weiß? Aber wie die Geldstücke auch heißen mögen, wichtig ist doch, dass man damit nicht die Katze im Sack kauft. Wer früher auf dem Markt ein Ferkel oder anderes teures Getier gekauft hat und an einen unseriösen Händler geraten ist, dem konnte es passieren, dass er daheim eine Katze im Sack gefunden hat. Einmal nicht hingeschaut und schon übers Ohr gehauen.

Zu Hause angekommen, lässt man so bei Till Eulenspiegel überraschend die Katze aus dem Sack. Tja, da bleibt einem nichts anderes übrig, als wie von der Tarantel gestochen aufzuspringen, wie die gesengte Sau in einem Affenzahn zum Markt zurück zu laufen, dem Verkäufer einen Vogel zu zeigen und dann darauf zu achten, dass der sich nicht rausredet mit: „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts.“