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Tiere Paar betreibt Wildtierauffangstation

Ein Paar in Nordbrandenburg kümmert sich mit Hingabe um jedes Wildtier - von der Schwalbe bis zum Wildschwein.

02.09.2018, 14:17

Struck (dpa) l Sie sind vernarrt in Tiere: Auf ihrem Gehöft im nordbrandenburgischen Struck bei Meyenburg pflegen Angie und Uwe Löblich derzeit etwa 180 Wildtiere. Drei verletzte Jungstörche stolzieren bettelnd durch die Wiese, beobachtet von Turmfalken, Schleiereulen und Seeadlern in ihren Volieren. "Ihr Horst auf einem Kirchendach ist abgestürzt, sie waren darunter begraben", sagt Angie Löblich. Einer wird Dauergast bleiben, die anderen werden fliegen können. Junge Katzen spielen im Gras, eine äugt neugierig in einen Korb mit einer jungen Schwalbe, die eine Frau in die Station bringt. Die Mehlschwalbe ist flügge. Nach drei Wochen Handaufzucht soll sie wieder unter ihresgleichen sein und das Jagen von Insekten lernen.

Die Löblichs betreiben eine der seltenen staatlich anerkannten Wildtierauffangstationen im deutschen Nordosten. Anerkannt von der obersten Jagdbehörde des Landes Brandenburg, aber nicht staatlich gefördert. Die Tiere, die den beiden 54-Jährigen gebracht werden oder die sie abholen, stammen meist aus Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern. Momentan betreuen sie neben Weißstörchen auch einen Schwarzstorch und mehrere Schwäne in einer riesigen Voliere, für die das Land ausnahmsweise Geld gab. Ein Uhu, ein Waldkauz, Bussarde, Krähen, Elstern leben in Volieren, Schwalben und Mauersegler in einer Softbox, damit sie sich nicht die Flügel verletzen. In einem anderen Gartenteil sind Rehe, Waschbären, Marder, Siebenschläfer untergebracht. Auch Eichhörnchen, Igel und Wildschweine waren schon da.

"Oberstes Ziel ist es, dass die Tiere wieder ausgewildert werden", sagt Angie Löblich. "Bei uns geht ein Tier nur raus, wenn es richtig fit ist", ergänzt ihr Mann. Nur Tiere, die nicht in der Lage sind, selbstständig zu überleben, dürfen bleiben – etwa die sechs flugunfähigen Störche im Vorgarten. Für solche Tiere ist eine Ausnahmegenehmigung der Veterinärbehörde nötig.

Die Vorsitzende des Tierschutzbunds Mecklenburg-Vorpommern, Kerstin Lenz, wünscht sich mehr solcher Stationen. "Es gibt einen großen Bedarf." Die Tierheime seien meist nicht auf die Pflege von Wildtieren eingestellt. "Nötig wäre eine Stelle für verletzte Tiere, für wirkliche Notfälle, die dann wieder ausgewildert werden", sagt sie. Dabei dürfe sich das Land nicht nur auf Privatleute verlassen. Andererseits mahnt sie, dass viele Menschen zu wenig über Tiere wüssten und Rehkitze oder Entenküken mitnähmen, obwohl diese weder verletzt noch verlassen worden seien.

Laut Tierschutzbund können die Behörden die Behandlungskosten streng geschützter verletzter Wildtiere übernehmen. Für nicht geschützte Wildtiere trägt der Finder die Kosten. Jagdbare Wildtiere müssen nicht behandelt werden, sie dürfen vom Jäger getötet werden.

Die Station in Struck lebt von der Rastlosigkeit des Ehepaares, von Spenden, Mitgliedsbeiträgen des Vereins Wildtierhilfe und wenigen Sponsoren. Das Paar selbst lebt von der Rente des Mannes. 220 Euro gehen jede Woche für Futterkosten drauf, etwa für tiefgefrorene Eintagsküken und Hähnchenherzen, für Körner und Obst, rechnet die Frau vor. Fischer, Jäger, ein Landwirt steuern manchmal etwas bei. Verbündete sind auch zwei Tierärzte in Pritzwalk und Güstrow sowie ein Freund in Güstrow, der den Transport von Tieren aus Mecklenburg-Vorpommern übernimmt.

In einem früheren Leben war die Berlinerin und Mutter zweier erwachsener Töchter einmal Bürokauffrau. 2004 lernte sie ihren jetzigen Mann kennen, einen Zootierpfleger aus Niedersachsen. "Es war Liebe auf den ersten Blick", sagt sie. Er versuchte es – aber er konnte nicht in der Großstadt leben. Also zogen sie aufs Land, scheiterten aber mit ihrer Tierliebe bei zwei Vermietern. 2013 konnten sie das Grundstück mit einem seit Jahren leerstehenden Haus am Rande von Struck erwerben.

Uwe Löblich hat Holz für neue Volieren geholt und dafür im Sägewerk gearbeitet. Er baut alles selbst. "Wenn eine Voliere fertig ist, setze ich mich selbst rein", sagt er. Und wenn er sich darin nicht wohlfühlt, baut er sie um oder neu. Urlaub kennen die beiden nicht mehr. Er sagt, er habe sich früher genug ausgetobt. Und sie: "Es macht Spaß mit den Tieren." Und es sei ein unglaubliches Gefühl, ein Tier wieder freizulassen und der Natur zurückzugeben.