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Weißer Phosphor Wenn der Bernstein plötzlich brennt

Sammler können bei Strandspaziergängen Bernstein leicht mit weißem Phosphor verwechseln. Der Stoff ist brandgefährlich.

13.08.2017, 23:01

Zinnowitz/Kiel (dpa) l Anfang August entdeckte eine 41-jährige Frau am Elbstrand von Wedel (Schleswig-Holstein) einen Brocken, den sie für Bernstein hielt. Sie hob ihn auf und steckte ihn ein. Als der vermeintliche Glücksfund getrocknet war, entzündete er sich jedoch und setzte die Jacke in Flammen. Die Frau blieb glücklicherweise unverletzt. Was sie später erfuhr: Statt des erhofften Glücksbringers Bernstein hatte sie ein Stück des täuschend ähnlich aussehenden weißen Phosphors eingesteckt.

Die gefährliche Chemikalie ist eine Altlast aus dem Zweiten Weltkrieg. „In den meisten Fällen stammt der Phosphor aus Brandbomben, mit dem diese gezündet wurden“, erklärt Oliver Kinast vom Kampfmittel- räumdienst in Schleswig-Holstein. Er könne aber auch Bestandteil von Mörsergranaten gewesen sein, sogenannter Nebelmunition.

Dass weißer Phosphor an der Unterelbe auftaucht, ist ungewöhnlich. Denn Schwerpunkt solcher Phosphorfunde ist die Ostseeküste im Osten Mecklenburg-Vorpommerns, vor allem der Norden der Ferieninsel Usedom. Dort erprobten die Nazis in der sogenannten Heeresversuchsanstalt in Peenemünde während des Krieges Raketen, die sie dann auf englische Städte abfeuerten. Die Alliierten reagierten und flogen schwere Bombenangriffe auf die Rüstungsschmiede.

Bei den britischen Luftangriffen auf die Versuchsanstalt im Jahr 1943 verfehlte ein Teil der abgeworfenen Brandbomben ihr Ziel und fiel ins Meer. „Die Munition rottet im Wasser durch und setzt den Phosphor frei“, erläutert der Kampfmittelräumer Kinast. Experten gehen davon aus, dass weißer Phosphor in Salzwasser praktisch unbegrenzt bestehen bleibt, da er so gut wie nicht wasserlöslich ist.

Im Mecklenburg-Vorpommern stehen an den Zugängen zu besonders gefährdeten Küstenabschnitten Warnhinweise. Den Urlaubern und Bernsteinsammlern dort rät Kinast, ihre Funde keinesfalls in die Hosentasche zu stecken. „Phosphor entzündet sich bei trockenem Zustand und bei Erwärmung“, sagt er. Sammler sollten die Stücke am besten in Metallbehältern transportieren. Diese ließen sich im Zweifel auch schnell wegwerfen, ergänzt Marion Schlender, Sprecherin des Schweriner Innenministeriums, in dessen Zuständigkeit auch der Munitionsbergungsdienst von Mecklenburg-Vorpommern fällt.

Anders als oft gedacht, werde Phosphor meist gar nicht an-, sondern freigespült, sagt Schlender. Weißer Phosphor habe ein deutlich höheres spezifisches Gewicht als Wasser und bleibe daher am Meeresgrund. Bei Sturm könne er aber am Strand freigespült werden. Wie oft weißer Phosphor im Nordosten gefunden wird, konnte sie nicht sagen. Zu den losen Funden am Strand werde der Munitionsbergungsdienst üblicherweise gar nicht gerufen.