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Werbeindustrie Das Lächeln aus dem Computer

Künstlich erschaffene Models für Werbezwecke sind keine Zukunftsvision mehr - den Beweis dazu bringt ein amerikanisches Unternehmen.

01.10.2019, 23:01

Berlin (dpa) l „Tracey aus Florida“ läuft den Strand entlang und lächelt für den Werbespot in die Kamera. „Präsident Trump macht einen wunderbaren Job. Ich könnte mir keinen besseren Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika vorstellen“, sagt eine Stimme aus dem Off. Dass es sich bei „Tracey“ nicht um eine echte Trump-Supporterin handelt, stellte sich schnell heraus. Es handelte sich nicht einmal um eine gebuchte Schauspielerin, sondern um eine Protagonistin aus einer Stockbilddatei, in der Videosequenzen auf Vorrat liegen. „Tracey“ lief nicht an der Küste Floridas entlang, sondern an einem Mittelmeer-Strand. „Tracey“ hatte nach Recherchen von CNN keine Ahnung, dass sie in den Wahlkampfspots für Trumps Facebook-Seite eine tragende Rolle spielen sollte.

Künftig können sich die Betrachter von Werbespots sogar nicht mehr sicher sein, ob die gezeigten Personen überhaupt existieren. Zumindest bei Fotos fällt schon heute der Unterschied schwer, ob es sich um Porträts von Menschen handelt oder um Bilder, die vollständig in einem Computer produziert wurden. Man kann das schnell selbst ausprobieren: Auf der Webseite stellen zwei Professoren der University of Washington, Jevin West und Carl Bergstrom, Tausende virtuelle Porträts in einem Vergleich echten Fotos gegenüber. Der User kann mit einem Klick entscheiden, welches Bild eine reale Person zeigt und welches einen KI-Replikanten.

Das Generieren von künstlichen Gesichtern ist aber längst keine akademische Fingerübung mehr: Jetzt erregt das US-Unternehmen Generated Media mit einem riesigen Katalog von künstlich generierten Porträts große Aufmerksamkeit. Die Firma stellte vor gut einer Woche 100.000 Bilddateien unter dieser Adresse zum Herunterladen bereit, die für private Zwecke kostenlos genutzt werden dürfen.

Bei „Generated Photos“ kommt wie bei dem Uni-Projekt aus Washington das Software-Paket „StyleGAN“ des US-Chipgiganten Nvidia zum Einsatz, das unter einer freien Lizenz veröffentlicht wurde. Wie bei so vielen Projekten in der Künstlichen-Intelligenz-Forschung brauchte es menschlichen Input, um das System anzulernen. Nvidia bediente sich bei der Yahoo-Fotowebseite Flickr, um über 70.000 frei verfügbare Bilder von echten Menschen als Trainingsmaterial herunterzuladen. Nach Angaben von Firmengründer Ivan Braun wurden für das Projekt „Generated Photos“ weitere 29.000 Bilder von 69 Models ausgewertet, die Firmenfotografen aufgenommen hatten.

Experten gehen davon aus, dass in wenigen Jahren nicht nur Fotos von KI-Replikanten generiert werden können, sondern komplette Videos. „Wir denken, dass wir das weiter vorantreiben können, indem wir auch 3D-Bilder erzeugen, die in Computerspielen und Filmen verwendet werden können“, sagte Jaakko Lehtinen auf dem KI-Lab von Nvidia in Finnland.

Die Forscher kehren dabei das Prinzip der Objekterkennung mit einem komplexen Algorithmus, der als neuronales Netzwerk bezeichnet wird, um. Bei den neuronalen Netzwerken kann das System durch das Identifizieren gemeinsamer Muster lernen, dass es sich um ein menschliches Gesicht handelt. Der Kniff war, dem System beizubringen, diese Muster zu verwenden, um eigene Bilder von „menschlichen“ Gesichtern zu erstellen. In einem Wettbewerb von zwei neuronalen Netzwerken strengt sich das eine System an, das andere System zu übertölpeln und ein generiertes Bild als echtes Porträt vorzutäuschen. Das andere System versucht wiederum, sich nicht täuschen zu lassen.

Bei vielen KI-Porträts, die von dem System als „echt“ durchgewinkt werden, fällt es dem Auge noch leicht, die Fälschung zu erkennen, etwa an unnatürlich erscheinenden Haarsträhnen. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis die KI-Systeme so gut sind, dass solche Fehler beseitigt werden.