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Familienunternehmen Wenn es allein nicht weitergeht

Die Bäckerei Dr. Quendt holte sich Hilfe von außen, um zu überleben

26.08.2015, 12:51

Dresden (dpa) l Der Firmenname klingt eher nach orthopädischen Einlagen als nach süßem Genuss. Doch Dr. Quendt ist Deutschlands größter Hersteller von Dresdner Christstollen. Fast die Hälfte dieser markenrechtlich geschützten Weihnachtsleckerei kommt heute aus dem Werk im Süden der sächsischen Landeshauptstadt. Wer den echten Stollen beim Discounter kauft, hat meist Dr. Quendt im Korb. Ob Russisch Brot oder Oblaten – vor allem im Osten sind auch diese Naschbackwaren eng mit dem Namen verbunden, auch wenn Dr. Quendt keine DDR-Marke ist.

„Mein Vater war damals als Lebensmitteltechniker beim Dauerbackwarenkombinat beschäftigt“, sagt Matthias Quendt, Sohn des Namensgebers und heute Gesellschafter der Dr. Quendt GmbH & Co. KG. „1985 bekam er den Staatsauftrag, Russisch Brot zur Bedarfsdeckung der Bevölkerung in ausreichender Menge herzustellen.“

Das braune Schaumgebäck in Buchstabenform war in der DDR „Bückware“ und nicht immer zu bekommen. Dr. Hartmut Quendt tüftelte und entwickelte eine Maschine. Die war zur Wende zwar weitgehend fertig, aber noch nicht erprobt. „Als nach 1989 alles abgewickelt und der Betrieb auch den Wettbewerbern angeboten wurde, hat er angefragt, ob er nicht selbst alles übernehmen könne mit 13 Leuten“, erinnert sich Quendt Junior.

„Der Betrieb war zu klein, zu runtergewirtschaftet und keiner hat geglaubt, dass sich daraus etwas entwickelt“, erzählt der heute 48-Jährige, der schon vier Jahre nach der Gründung 1991 in die Firma einstieg. „Und im Prinzip war das unser Glück.“ 1,5 Millionen D-Mark musste sein Vater für den Kauf aufnehmen. „Es gab keine Vermarktungskompetenz, keine wirkliche Kenntnis von marktwirtschaftlichen, kaufmännischen Prozessen.“

Aber es gab den Willen, etwas in einer neuen, privatwirtschaftlichen Gesellschaft zu gestalten. „Die Leidenschaft für Technik und Improvisations- und Lernfreude, aus dem Wenigen etwas zu machen“, sagt Quendt, der sich – zwar selbst auch Maschinenbauingenieur – im väterlichen Unternehmen um den Vertrieb der Backwaren kümmerte.

„Innerhalb von 20 Jahren haben wir einen Marktanteil von 32 Prozent im Osten erarbeitet“, sagt Quendt. Seit 1994 hat die Firma den Dresdner Christstollen im Sortiment – 2014 wurden allein 1,5 Millionen Stück produziert.

Von 1999 bis 2012 stieg der Umsatz von 5 Millionen auf 21 Millionen Euro pro Jahr. 2006 übernahm er von seinem Vater das Unternehmen. 2013 dann das Schicksalsjahr: „Wachstum kostet Eigenkapital. Durch das jahrelange Wachstum war unser Unternehmen mit Eigenkapital unterversorgt. Dies ist mir in der Krise bewusst geworden.“

2013 explodierten die Rohstoffpreise. Allein für Butter musste das Unternehmen 600 000 Euro mehr bezahlen, gleichzeitig verlor es bei einem Großkunden eine Million Euro an Umsatz. Das Eigenkapital reduzierte sich auf die Hälfte, die Banken drehten den Hahn zu. Dir Firma stand vor dem Aus, ein potenter Investor musste her.

„Es ist schwer, jemanden zu finden, der wie wir Familienunternehmer über Generationen hinweg denkt“, weiß Lutz Goebel vom Verband Die Familienunternehmer. „Und natürlich gibt es Finanzinvestoren, die auf sehr schnelle Renditen spekulieren und dazu sogar Zerschlagungen forcieren. Das passt natürlich nicht zu unserer Mentalität.“

Auch Quendt machte diese Erfahrung. „Es gab durchaus Wettbewerber, die alles unter eigener Marke übernehmen und mir einen entsprechenden Obolus zahlen wollten.“ Bei der Aachener Lambertz-Gruppe, dem nach eigenen Angaben weltweit größten Anbieter von Saisongebäck, sei das anders gewesen. Auch wenn eine „Herausforderung“ gewesen sei, zum Wettbewerber zu gehen.

„Dass man in den östlichen Bundesländern noch etwas vorsichtiger mit Fremdbestimmung von außen ist“, kann sich West-Unternehmer Goebel gut vorstellen. „Außerdem haben 40 Jahre DDR Spuren hinterlassen: In den östlichen Bundesländern gibt es nach wie vor weniger Familienunternehmen.“

Für Lambertz-Alleininhaber Hermann Bühlbecker, Herr über Aachener Printen und Nürnberger Lebkuchen, war es eine Gelegenheit. „Es war der Dresdner Stollen beziehungsweise die Herkunftsbezeichnung, die für uns auch von Interesse war“, sagt er.

Neben den Mitarbeitern und dem Standort war damit auch der Name gesichert. „Da Dr. Quendt die stärkste Marke im Bereich Dresdner Stollen darstellt, hat sie auch in der Lambertz Gruppe einen besonderen Stellenwert“, sagt Bühlbecker. „Außerdem hatten wir bis dato keinerlei Ostmarke.“

2014 übernahm Lambertz die Mehrheit bei Dr. Quendt, bei dem aktuell 200 Mitarbeiter beschäftigt sind. Die Firma habe damals eine Unternehmensgröße erreicht gehabt, die nur schwer zu stabilisieren gewesen sei, sagt Quendt. „Mit Lambertz ist nun eine neue Stabilität eingetreten.“ Bereits im Geschäftsjahr 2015 sollen wieder schwarze Zahlen realisiert werden. „Auch beim Umsatz wird die Marke von 20 Millionen Euro übertroffen.“

Auch wenn er heute mit dem operativen Geschäft nichts mehr zu tun hat, für Quendt war die Entscheidung richtig: „Für mich war es immer wichtig, dass das Unternehmen, der Standort, die Dresdner Traditionsprodukte und die Marke langfristig gesichert sind.“ Im kommenden Jahr wird Dr. Quendt 25.