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Tarifkampf Machtkampf bei der Lufthansa

Das Hessische Landesarbeitsgericht hat den aktuellen Pilotenstreik bei der Lufthansa für rechtswidrig erklärt.

09.09.2015, 23:01

Frankfurt/Main (dpa) l 1000 Flüge fallen aus, die Passagiere leiden, die Tarifparteien fetzen sich vor Gericht: Nie schien der Konflikt bei der Lufthansa so aussichtslos wie am zweiten Tag der mittlerweile 13. Runde des Pilotenstreiks. Er ist endgültig zum Machtkampf um die Zukunft von Europas größtem Luftverkehrsunternehmen geworden.

1. Warum finden die Lufthansa und ihre Piloten nicht zueinander?

Lufthansa-Chef Carsten Spohr will sich nicht von einem kleinen Teil der Belegschaft in die Konzernstrategie hineinreden lassen. Seit seinem Amtsantritt im Mai 2014 verfolgt er das klare Ziel, neben der klassischen Premium-Lufthansa eine Billigschiene mit Eurowings aufzubauen, die im Europa-Verkehr Ryanair oder Easyjet Paroli bietet. Unter dem gemeinsamen Markendach sollen unterschiedliche Betriebe aus dem Lufthansa-Konzernverbund zu möglichst niedrigen Kosten die Flüge abwickeln. Dies sei mit teuren, nach dem Konzerntarifvertrag (KTV) bezahlten Piloten nicht möglich. Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) will wiederum verhindern, dass der Lufthansa-Kern und damit ihr Einfluss schrumpft. Bei Auslandstöchtern hat die VC nichts zu sagen.

2. Was hat die Pilotengewerkschaft als Kompromiss angeboten?

Um die Jobs im KTV und damit in Deutschland zu halten, ist Cockpit zu einem Gehaltsvergleich mit dem Billigflieger Easyjet bereit. Die Briten zahlen aber besser als Mitbewerber wie Ryanair, Vueling oder Wizz. Bei Einrichtung einer Billiglohn-Linie verlangt die VC, dass die Piloten bei Beförderungen zwischen den Airlines wechseln können. Zugeständnisse hat die Gewerkschaft bei den Übergangsrenten gemacht: Die Piloten sollen künftig im Schnitt mindestens 60 statt bislang 58 Jahre alt sein, wenn sie in den Vorruhestand gehen wollen. Offen sind Fragen zu Gehältern und Betriebsrenten. Den Wert ihrer Zugeständnisse beziffert die Gewerkschaft auf 500 Millionen Euro.

3. Warum reicht das der Lufthansa nicht?

Das 500-Millionen-Volumen sei nicht abgeklopft, sagt Chefpilot Werner Knorr. Die VC unterstellt Spohr, dass er die Gewerkschaftsmacht brechen will. Tatsächlich ist das Eurowings-Modell viel flexibler als eine mögliche Übereinkunft innerhalb des Konzerntarifs: Es bietet auch die Möglichkeit zur stufenweisen Integration kriselnder Airlines aus ganz Europa. Lufthansa will bei solchen Gelegenheiten eine aktive Rolle spielen. Spohr hat das Beispiel Austrian Airlines (AUA) vor Augen, bei der durch zwischenzeitliche Verlagerung des Betriebs auf die Tochter Tyrolean Tarifverträge ausgehebelt wurden. AUA-Piloten sind die kostengünstigsten im ganzen Konzern und werden auch die ersten in Österreich angemeldeten Eurowings-Jets fliegen.

4. Wieso ist es nicht zu einer Schlichtung gekommen?

Spohr hat die von der VC lange verlangte Gesamtschlichtung auf der Hauptversammlung Ende April öffentlichkeitswirksam zugesagt. Im Hintergrund lotete Ex-Finanzminister und CSU-Politiker Theo Waigel Positionen aus. Den Konflikt um Eurowings wollte Lufthansa nur in begleitenden Gesprächen behandeln – die VC verlangte vorab, die geplante Verlagerung von Jets und Jobs zumindest für die Zeit der Verhandlungen zu stoppen. Diese Verknüpfung von Managementfragen mit tariflichen Themen führte jetzt zu der Niederlage vor Gericht.

5. Wie lange kann die Lufthansa die Streiks noch durchhalten?

Unmittelbare finanzielle Probleme sind nicht in Sicht, wenn auch das Ansehen der Airline jeden Streiktag mehr leidet. Die wirtschaftliche Lage ist nach dem besten Sommer der Lufthansa-Geschichte (Spohr) komfortabler als erwartet. Die bisherigen Streikkosten von rund 100 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2015 hat der Konzern gut verkraftet, er scheint sein Jahresziel von über 1,5 Milliarden Euro an operativem Gewinn (Vorjahr 954 Mio.) erreichen zu können.

6. Wie könnte nun ein Kompromiss aussehen?

Das ist nach dieser Eskalation schwer vorstellbar. Lufthansa hat die Ankündigung einer ganzen Streikserie mit dem Abbruch der Gespräche über die Strategie beantwortet. Alle VC-Tarifverträge sollen geprüft und nötigenfalls gekündigt werden. Auch wolle man die Möglichkeiten des neuen Gesetzes zur Tarifeinheit dahingehend ausloten, ob die VC überhaupt noch Tarifverträge abschließen kann. Zahlenmäßig ist die moderatere Kabinengewerkschaft Ufo stärker.