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Patientenberatung Was Patienten jetzt wissen sollten

Die Unabhängige Patientenberatung Deutschlands wird in Zukunft von einem Unternehmen betrieben. Kritiker fürchten Interessenskonflikte.

21.09.2015, 14:27

Leipzig (AFP) | Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) soll ab kommendem Jahr ausgebaut werden. Unter dem neuen Träger, dem Gesundheitsdienstleister Sanvartis, soll die Zahl der Beratungsgespräche deutlich erhöht und auch die Erreichbarkeit verbessert werden. Kritiker sehen allerdings die Unabhängigkeit der Patientenberatung in Gefahr.

Seit 2011 ist die UPD eine Regelleistung der gesetzlichen Kassen. Sie berät "kostenfrei, neutral und unabhängig" in regionalen Beratungsstellen, online sowie über eine bundesweite Hotline in drei Sprachen. Die Patienten können sich unter anderem zu Arztkosten, Kassenleistungen, bestimmten Behandlungsmethoden, Patientenrechten, aber auch bei Konflikten mit Ärzten und mutmaßlichen Behandlungsfehlern beraten lassen.

Sanvartis will die Unabhängige Patientenberatung in eine neue, eigenständige GmbH überführen, bei der die rund 120 Berater mit Ausnahme einiger Fachärzte angestellt sind. Die Zahl der jährlichen Beratungsgespräche soll von heute rund 80.000 auf mehr als 220.000 nahezu verdreifacht werden. Die UPD-Berater sollen künftig wochentags bis 22.00 Uhr sowie samstags von 8.00 bis 18.00 Uhr und damit deutlich länger als bisher über eine bundesweit kostenfreie Rufnummer erreichbar sein. Die Zahl der regionalen Beratungsstellen wird auf rund 30 ausgebaut. Zudem sind Beratungsmobile im Einsatz. Die Beratung erfolgt durch Ärzte, Rechtsanwälte und medizinische Fachangestellte.

Träger sind bislang der Sozialverband VdK, der Verbraucherzentrale Bundesverband und der Verbund unabhängige Patientenberatung. Die Laufzeit des Vertrages endet Ende 2015. Daher wurde die UPD europaweit neu ausgeschrieben - diesmal für sieben Jahre. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat gemeinsam mit dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), Sanvartis den Zuschlag erteilt.

Das Unternehmen wurde 1999 unter dem Namen Gesundheitsscout24 gegründet, seit 15 Jahren betreibt Sanvartis in Duisburg ein Callcenter. In Berlin gibt es inzwischen einen zweiten Standort. Auf seiner Internetseite verweist das Unternehmen, das sich als "Spezialist für medizinische Kommunikation" beschreibt, auf die Zusammenarbeit mit Krankenkassen, Kliniken und Pharmakonzernen. Vor allem daran stören sich die Kritiker.

Die derzeitigen Träger kritisieren, dass künftig ein "privatwirtschaftlich gewinnorientiertes Unternehmen" und bisheriger Kassen-Dienstleister Patientenberatung anbieten darf. "Das Wort unabhängig ist nicht mehr angebracht", meint Klaus Müller vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Auch die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink sieht "Interessenkonflikte vorprogrammiert", wenn das gleiche Callcenter jetzt Patienten zum Beispiel in Konflikten mit Kassen unterstützen soll. Die Ärzteschaft befürchtet ebenfalls ein Aufweichen der Unabhängigkeit der Patientenberatung.

Durch die Gründung einer eigenen Gesellschaft soll eine Einflussnahme Dritter ausgeschlossen werden. Den Kassen ist es ohnehin gesetzlich untersagt, Einfluss auf den Inhalt der Beratungstätigkeit zu nehmen. Alle Berater sollen intensiv geschult, die Einhaltung der Qualitätsmaßstäbe und Unabhängigkeit soll überwacht werden. Die Sanvartis GmbH soll keinerlei Zugriff auf die UPD, deren Mitarbeiter, Daten und das IT-System haben. Dem Unternehmen zufolge gelten zudem wie in einer Arztpraxis auch bei der telefonischen Patientenberatung die ärztliche Schweigepflicht und strengster Datenschutz.

Finanziert wird die UPD vom Kassen-Spitzenverband und vom Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV), der für die Beratung auf Türkisch und Russisch zahlt. In diesem Jahr lag die Fördersumme bei 5,2 Millionen Euro, ab 2016 wird sie auf mehr als neun Millionen Euro jährlich aufgestockt.