Kathi Der lange Weg nach oben

Wie das Hallenser Unternehmen Kathi ostdeutscher Marktführer für Backmischungen wurde.

12.10.2015, 23:01

Halle l Familie Thiele aus Halle kämpfte jahrzehntelang für ihr Unternehmen. In der DDR wurde der Betrieb verstaatlicht. Nach der Wiedervereinigung erhielten die Thieles ihr Eigentum zurück. Der Kampf hat sich gelohnt: Heute ist Kathi ostdeutscher Marktführer.

Auf dem Sterbebett rang Käthe Thiele ihrem Sohn ein Versprechen ab. Rainer Thiele sollte das Unternehmen für die Familie zurückgewinnen und es wiederaufbauen. An diesem Tag, Ende März 1989, ahnte Käthe Thiele zwar, dass das Ende der DDR nah war. Doch sie war zu schwach, um es noch selbst zu erleben. Sieben Monate vor dem Fall der Mauer starb Käthe Thiele.

Der Zusammenbruch der DDR hätte Käthe Thiele gefallen, sagt ihr Enkel, Marco Thiele, der das Traditionsunternehmen aus Halle heute leitet. „Meine Großeltern haben immer an den Untergang der DDR geglaubt. Mein Opa Kurt sagte einmal zu mir: ‚Im Jahre 2000 wird man diesen Staat nur noch aus Geschichtsbüchern kennen‘“, erzählt Marco Thiele. Der Großvater sollte recht behalten.

Der Staat, der die Familie entschädigungslos enteignete, das Lebenswerk von Käthe und Kurt zerstörte und die Thieles ins Unglück stürzte, ist Geschichte. Heute ist das Unternehmen, das vor allem Backmischungen verkauft, in Ostdeutschland wieder Marktführer. Doch bis dahin war der Weg steinig.

Wenige Monate nach dem Fall der Mauer ging es für Kathi ums Überleben. Wie viele Ost-Betriebe war auch die hallesche Firma kaum wettbewerbsfähig. Zudem wandten sich viele Menschen von Ost-Produkten ab und griffen auf die West-Konkurrenz zurück. Rainer Thiele, der Sohn der Gründer, musste kämpfen, wollte er sein Versprechen einhalten.

Schließlich ging es dabei um das Lebenswerk seiner Eltern. 40 Jahre zuvor experimentierte Käthe Thiele mit Lebensmitteln, schuf Eigenkreationen wie eine „gestreckte Leberwurst“. Wenige Jahre später entwickelte Thiele auch erste Backmischungen – rund zwei Jahrzehnte, bevor Dr. Oetker damit auf den westdeutschen Markt drängte.

Ein paar Jahre lang existierte Kathi als privat geführtes Unternehmen in einem sozialistischen Staat. Doch 1957 musste die Familie den Betrieb an einen staatlichen Mitgesellschafter übertragen. 1972 folgte die komplette Enteignung der Familie. Aus Kathi wurde der „VEB Backmehlwerk Halle“. „Für meine Großeltern brach eine Welt zusammen. Mein Großvater hatte einen Hörsturz und verlor 90 Prozent seines Hörvermögens. Auch meine Großmutter war völlig am Ende“, sagt Marco Thiele.

Sogar die Marke auf den Produkten wollten die DDR-Genossen ändern. Doch Kurt Thiele hatte sich den Namen markenrechtlich schützen lassen. Die Firma, die er und seine Frau gegründet hatten, war zwar faktisch tot, doch der Markenname überlebte.

Fast 20 Jahre dauerte es, bis das Unternehmen wieder in Familienhand war. Doch nach der Wende warteten neue Probleme. Der Umsatz brach ein. Von 137 Mitarbeitern blieben nur 37 übrig. Erst ein Auftrag für eine westdeutsche Firma brachte Kathi das so dringend benötigte Kapital. Schon 1991 schrieb die Firma wieder schwarze Zahlen. Auch, weil sich die Menschen im Osten Deutschlands wieder auf Altbewährtes besannen. Kathi wurde zu einem der wenigen ostdeutschen Unternehmen, dem der Sprung in die Marktwirtschaft glückte.

Mittlerweile sind die Hallenser in den ostdeutschen Bundesländern Marktführer und bundesweit die Nummer drei hinter Dr. Oetker und Ruf. 90 Mitarbeiter erzielten im vergangenen Jahr einen Umsatz von 29 Millionen Euro. „Wir arbeiten konsequent an der Entwicklung neuer Produkte und Innovationen“, sagt Marco Thiele. In diesem Jahr ist auf dem Betriebsgelände ein Backstudio eröffnet worden, in dem Firmenevents und Backkurse stattfinden.

Seit dem vergangenen Jahr können Kunden zudem ihren Wunschkuchen im Internet bestellen. Der eigens entwickelte Kuchen-Konfigurator bietet eine halbe Million Kombinationsmöglichkeiten der Zutaten. Besteller bekommen ihren Kuchen dann bequem nach Hause geliefert – ein bislang exklusives Angebot im deutschen Backwarenmarkt.

Das Unternehmen von Marco Thiele soll weiter aus eigener Kraft wachsen – ohne einen Investor von außen. Vor allem das Auslandsgeschäft von Kathi soll in den kommenden Jahren ausgebaut werden. Derzeit liegt der Exportanteil nur bei zwei Prozent, soll sich perspektivisch auf zehn Prozent erhöhen. Dafür drängt Kathi in neue Märkte. Erst im vergangenen Monat sind zwei Container mit Back-Produkten auf die Reise nach China gegangen. Auch in den USA stehen Kathi-Backmischungen in den Regalen. Thiele ist aber Realist. „Das Exportgeschäft braucht Geduld“, sagt der Firmeninhaber.