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Energiewirtschaft Ölindustrie drosselt Investitionen

Die Unternehmen der Ölindustrie legen ein Großprojekt nach dem anderen auf Eis. Das Dauertief beim Rohölpreis ist nur ein Grund.

Von Michael Donhauser 12.11.2015, 23:01

Washington (dpa) l Es waren hochfliegende Pläne. Shell, einer der größten privaten Energiekonzerne der Welt, wollte vor Alaska nach Öl und Gas bohren. Unmengen an Geld und Mühe steckte das britisch-niederländische Unternehmen in die Vorarbeiten. Im Sommer kam dann das Aus: Zu teuer, hieß es lapidar. Investitionen von sieben Milliarden Dollar wandern in der Bilanz in die Rubrik Abschreibungen.

Shell ist nicht allein. Die Rohstoffindustrie fährt weltweit die Investitionen zurück, auch weil die Länder des Opec-Kartells derzeit den Markt mit billigem Öl überschwemmen. Allein im Jahr 2015 gehen die entsprechenden Summen in der Branche um 20 Prozent zurück, errechnete die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris. „Eine Transformation des Energiesektors ist in vielen Teilen der Welt auf dem Weg“, sagt der Generalsekretär der Agentur, Fatih Birol.

BP, Total, ExxonMobil, Chevron – alle Großen verkünden geringere Ausgaben für neue Unternehmungen. Und der Trend dürfte sich 2016 fortsetzen. Zuletzt verbot US-Präsident Barack Obama den Weiterbau der Keystone-Pipeline, die Kanadas Ölsand-Vorkommen mit den südlichen Bundesstaaten am Golf von Mexiko verbinden sollte.

Auch ein gemeinsames Arktik-Projekt von BP und ExxonMobil in der kanadischen Beaufort-See ist zu Ende – die Unternehmen ließen die Zeit verstreichen, in denen Bohrungen sinnvollerweise möglich gewesen wären. Für zwei weitere Ölfelder vor Alaska hat die US-Regierung gar nicht erst die Pachtverträge ausgeschrieben. „Kein Interesse der Industrie“, hieß es zur Begründung.

Das größte Ausrufezeichen setzte vielleicht Saudi-Arabien. Das Ölland schlechthin denkt laut über eine Zukunft nach den fossilen Energieträgern nach – und will einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Ein lange Zeit für undenkbar gehaltenes Zeichen aus dem Land, dessen Wirtschaft heute zu 80 Prozent vom Erdöl abhängt.

Westliche Konzerne bekommen zunehmend Druck von ihren Aktionären. Zuletzt musste sich der US-Kohlegigant Peabody zwei Jahre lang mit dem New Yorker Generalstaatsanwalt herumplagen. Teilhaber hatten moniert, das Unternehmen habe die aus dem Klimawandel resultierenden Risiken für Investments in der Branche nicht ausreichend deutlich gemacht.

Das gleiche Problem hat inzwischen ExxonMobil am Hals. Der Vorwurf: Exxon habe Dritte bezahlt, die den Klimawandel kleinreden. Weltweit verabschieden sich Investoren aus Anlagen in fossilen Energieträgern, vor allem aus dem Kohlegeschäft.

Nicht mehr als ein Signal? Ökonomisch ernster ist der Rückzug beim norwegischen Pensionsfonds, einem der größten staatlichen Investoren der Welt. Bei dem aus Ölgeldern gespeisten Fonds geschieht der milliardenschwere Rückzug nicht aus Ideologie – sondern aus schlichter Risikoabwägung. Die Kohle ist den Norwegern inzwischen als Geldanlage zu gefährlich. Folgt bald das Öl?

Parallel zu all diesen Entwicklungen gehen die Ausgaben für erneuerbare Energieträger nach oben. Zwar noch immer viel zu langsam, um das Zwei-Grad-Ziel bei der Klima­erwärmung erreichen zu können, wie die IEA bemängelt. Aber immerhin. 2014 wurde weltweit eine Rekordleistung von 130 Gigawatt in der regenerativen Erzeugung neu installiert – mehr als die Hälfte der gesamten Neuleistung.