1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Schieflage in der Wertschöpfungskette

Landwirtschaft Schieflage in der Wertschöpfungskette

Die Bauern bekommen gerade die Schattenseiten der internationalen Märkte zu spüren.

Von Sascha Meyer 08.12.2015, 23:01

Berlin (dpa) l Für ihre Kalkulationen genügt den Bauern längst nicht mehr der fachmännische Blick auf die Felder und in den Stall. Wie viel sie mit ihrem Getreide oder Milch und Fleisch verdienen können, richtet sich maßgeblich nach den internationalen Rohstoffmärkten. Und die globalen Kursschwankungen schlagen gerade heftig ins Kontor: Nach Jahren mit ordentlichen Gewinnen sind die Preise, die die Landwirte erzielen können, großflächig abgestürzt. Da ärgert es viele Bauern, dass Lebensmittel in den Supermärkten gerade trotzdem teurer werden.

„Derzeit tragen fast ausschließlich unsere Landwirte die Folgen schwankender und niedriger Agrarpreise“, schimpft Bauernpräsident Joachim Rukwied am Dienstag in Berlin. Und macht keinen Hehl daraus, an wen er diese Kritik adressiert: Ernährungsindustrie und Handel könnten gerade zu Niedrigpreisen bei den Agrarproduzenten einkaufen. Zugleich habe sich aber der Abstand zwischen diesen Erzeugerpreisen und vielen Endpreisen im Laden deutlich vergrößert – zum Beispiel bei frischem Schweinefleisch, Milchprodukten oder Brötchen.

Was dahinter stecke, liege auf der Hand, moniert der Bauernverband: Da seien Margen in Vermarktung und Handel ausgeweitet worden, so dass weniger bei den Landwirten ankommt. Begünstigt werde dies durch die Marktmacht der wenigen Handelsriesen in Deutschland. Diese generelle „Schieflage“ in der Wertschöpfungskette müsse korrigiert werden.

Auch Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) hat erst kürzlich an die gesamte Branche appelliert, sich gegen Risiken der schwankenden Märkte zu wappnen und ruinöse Preiskämpfe mit Nahrungsmitteln zu beenden. „Hier tragen der Lebensmitteleinzelhandel, aber auch wir Verbraucher eine besondere Verantwortung.“

Tatsächlich sind die Zeiten von Nahrungsmitteln als Inflationsbremse schon seit einiger Zeit vorbei. Im November zog die Teuerungsrate laut Statistischem Bundesamt wohl insgesamt leicht auf 0,4 Prozent an. Lebensmittel waren aber 2,3 Prozent teurer als ein Jahr zuvor. Dabei verweisen Weiterverarbeiter und Einzelhandel regelmäßig auch darauf, dass sie ja nicht die Kosten für Rohstoffe einkalkulieren müssen, sondern etwa für Energie und Personal.

Die Bauern spüren nun auch, dass nicht sie es sind, die an anderen wichtigen Preisschrauben drehen können. Ursachen des wohl bis ins neue Jahr andauernden Preistiefs liegen etwa in der schwächelnden Konjunktur vor allem in Schwellenländern in Asien. Berufskollegen der Milchbauern in den USA und Neuseeland haben ihre Produktionsmengen ausgeweitet, was die Preise verwässert. Und dann ist da immer noch der russische Agrar-Importstopp als Antwort auf EU-Sanktionen wegen der Ukraine-Krise. Nicht nur Obst, das sonst nach Russland verkauft würde, kommt deswegen zusätzlich auf den hiesigen Markt.