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Jugendliche Ohne Abschluss in die Arbeitslosigkeit

Noch immer haben Tausende Jugendliche in Sachsen-Anhalt schlechte Job-Chancen, weil ihnen Qualifikationen fehlen.

18.01.2016, 23:01

Magdeburg l In Sachsen-Anhalt haben sich im vergangenen Jahr 8068 Jugendliche im Alter zwischen 15 und 25 Jahren arbeitslos gemeldet. Das sind 1188 weniger als im Vorjahr, wie aus einer aktuellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Halle hervorgeht. Seit 2010 ist die Jugendarbeitslosigkeit sogar um 46 Prozent zurückgegangen.

„Die Einstiegschancen für junge Menschen haben sich aufgrund der dauernden stabilen Arbeitsmarktlage verbessert“, so BA-Regionalchef Kay Senius. „Diese Entwicklung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch immer zu viele junge Menschen in Sachsen-Anhalt die Schule ohne Abschluss verlassen.“

Schlechte Qualifikationen bedeuten für die Jugendlichen trotz verbesserter Wirtschaftslage auch weiterhin schlechte Chancen auf eine Stelle. Das verdeutlicht die BA-Statistik: Zwischen 2010 und 2015 ist der Anteil der arbeitslosen Jugendlichen ohne Berufsausbildung von 39 auf 59 Prozent gestiegen, der Anteil der Arbeitslosen ohne Schulabschluss stieg von 18 auf 19 Prozent.

„Wir müssen in diesen Fällen häufig Reparaturarbeit leisten, um sie zur Ausbildungsreife zu führen. Das kostet Geld und verzögert den Einstieg ins Erwerbsleben“, kritisiert Kay Senius. Auch die Nachwuchs-Engpässe bei Unternehmen würden sich so weiter verschärfen.

Schon seit Jahren tut sich das Land Sachsen-Anhalt vergleichsweise schwer, die Zahl der geringqualifizierten Jugendlichen zu senken. Nach Angaben des Kultusministeriums lag 2012 die Quote der Schulabgänger ohne Abschluss bei 12,1 Prozent, 2014 betrug sie 9,7. Bundesweit hingegen belief sich die Quote nur auf 6,1 Prozent. Die Quote der Jugendlichen in Sachsen-Anhalt, die ihre Ausbildung abbrechen, stieg zwischen 2011 und 2013 von 31 auf 32,7 Prozent.

Das wirft die Frage auf, wie deutlich mehr Jugendliche dazu gebracht werden können, sich die benötigten Qualifikationen anzueignen. Ganz neue Wege geht Österreich. Das europäische Nachbarland kämpft ebenfalls seit Jahren mit einer relativ hohen Jugendarbeitslosigkeit und will deshalb seine Ausbildungspflicht verschärfen. Wer unter 18 Jahre alt ist, muss entweder eine weiterführende Schule, eine betriebliche beziehungsweise überbetriebliche Lehrausbildung oder andere Maßnahmen der Ausbildungsvorbereitung besuchen. Ab dem Schuljahr 2017/18 sollen jene, die ihren Pflichten nicht nachkommen, ein Bußgeld zwischen 100 und 500 Euro zahlen. Im Wiederholungsfall soll die Summe auf 1000 Euro steigen.

In Sachsen-Anhalt gilt ebenfalls eine Schulpflicht bis zum 18. Lebensjahr, allerdings hält die hiesige Politik nichts von Strafmaßnahmen. Arbeitsminister Norbert Bischoff (SPD) erklärt dazu: „Was nützt mir ein zur Ausbildung verpflichteter Jugendlicher, der diese Ausbildung gar nicht will? Auch das Unternehmen wird sich bedanken, wenn der Jugendliche sich allein für einen Ausbildungsplatz entscheidet, weil andernfalls eine Strafe droht.“

Der CDU-Bildungsexperte Hardy Peter Güssau lehnt ebenfalls eine Ausbildungspflicht mit Strafen ab. Er betont, dass im Zweifelsfall geprüft werden müsse, ob eine Ausbildungspflicht nicht gegen das Grundrecht auf die freie Berufswahl verstößt. Auch die Opposition lehnt eine Ausbildungspflicht mit Strafen ab. „Die ist für uns kein Thema“, erklärt Grünen-Fraktionschefin Claudia Dalbert. Auch Bianca Görke von der Linken winkt ab: „Wir halten Zwangsmaßnahmen mit Strafbewährung für untauglich.“

Arbeitsminister Bischoff will stattdessen die Berufsausbildung ausbauen und auf Motivation setzen. „Wir sollten die Jugendlichen stark machen und dazu bewegen, nicht alles hinzuschmeißen.“ Das werde etwa beim Programm Assistierte Ausbildung umgesetzt. Hier würden speziell geschulte Sozialarbeiter Jugendliche bei ihrer Ausbildung im Betrieb unterstützen.

Damit Schüler ihren Abschluss machen, setzt auch das Kultusministerium auf Sozialarbeiter. Sie sollen den Leistungsschwachen helfen, bevor ihr Abschluss in Gefahr ist. Die Zahl der Sozialarbeiter in Sachsen-Anhalt sei mit Hilfe von EU-Fördermitteln zuletzt von 210 auf 413 aufgestockt worden, inzwischen könnten 360 Schulen im Land auf sie zurückgreifen.

Ein weiteres Werkzeug zur Förderung der Jugendlichen besteht in sogenannten Lerncamps. Dabei handelt es sich um eine ergänzende Förderung von Schülern in den Winterferien, auch sie soll dazu beitragen, dass die jungen Menschen ihren Abschluss schaffen.