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Eishersteller Training für die Eis-Saison

Rund acht Liter Eiscreme verspeisen die Deutschen jährlich - das sind etwa 110 Kugeln. Jürgen Pecher stellt in Staßfurt Eis her.

19.02.2016, 23:01

Staßfurt l Jürgen Pecher fühlt sich in diesen Tagen wie ein Sportler vor dem großen Wettkampf. Mehrmals in der Woche steht er auf dem Laufband im Fitnessstudio oder zieht im Schwimmbad seine Bahnen. Pecher ist 58 Jahre alt und seit mehr als 30 Jahren Eismann in Staßfurt. Die Winterpause ist für ihn wie ein Trainingslager vor der Eis-Saison. Pecher muss fit sein, denn sein Job ist anstrengend. Ab Ostern wird er bis Ende Oktober in seinem Eiscafé am Staßfurter Stadtrand arbeiten: mehr als 200 Tage, ohne Pause.

Pecher wird morgens der Erste sein und abends als Letzter die Tür zu seinem Laden verschließen. Vor Mitternacht kommt er in den Sommermonaten fast nie ins Bett. „Diese Zeit ist extrem belastend für den Körper. Im Winter muss ich mich auf die neue Eis-Saison vorbereiten“, sagt Pecher. Die körperliche Fitness ist für sein Geschäft lebenswichtig: Fällt Pecher krank aus, gibt es im Café Judy kein Eis. Doch die Winterferien sind ein Luxus, den sich nur noch wenige Eishersteller leisten können. „Viele Eisdielen machen nur noch eine kurze Pause“, sagt Annalisa Carnio, Sprecherin des Verbandes der italienischen Eishersteller in Deutschland. Nur die gut laufenden Eiscafés können es sich leisten, im Winterhalbjahr zu schließen. Aus Kostengründen haben viele Eisdielen im Winter ihr Angebot um Kaffee und Kuchen erweitert.

Jürgen Pecher ist einer von 75 Speiseeisherstellern in Sachsen-Anhalt. Er kann sich die Pause erlauben. Die Umsätze seien seit Jahren stabil. Seine Kosten habe er im Griff. Der kleine Laden mit Terrasse ist sein Eigentum. Pecher hat zwei Angestellte: eine Vollzeitkraft, die in der Winterpause für eine Bäckerei arbeitet und eine Teilzeit-Beschäftigte, die nur im Sommer aushilft. In der warmen Jahreszeit hat Pecher zusätzlich bis zu fünf Schülerinnen auf der Lohnliste, die er als Aushilfen beschäftigt.

In seinem Eisladen hat sich das Interieur seit 1983 kaum verändert. Tische und Stühle hat sich Pecher damals vom Stahl- und Walzwerk Brandenburg fertigen lassen. Seitdem hat er nur den roten Kunstlederbezug erneuert. Die Wände sind halbhoch mit braunen Kacheln gefliest. „Ich arbeite daran, dieses Café so zu erhalten. Es hat Charakter. Meine Gäste lieben das“, sagt Pecher. Im Winter ist er deshalb vielmehr Hausmeister als Eismann: Maschinen werden gewartet, Ersatzteile eingebaut, Fugen verputzt.

Pecher nutzt die Pause aber auch zur Fortbildung. Er beobachtet die Konkurrenz: Welche Trends werden von den großen, industriellen Eisherstellern aufgegriffen? Welche Sorten könnten in der kommenden Saison von den Kunden nachgefragt werden? In diesen Tagen wird er sich in sein Auto setzen und nach Stuttgart fahren. Dort läuft noch bis zum 24. Februar die Messe Gelatissimo – das Branchentreffen der Eishersteller. Neue Produkte und Rohstoffe stehen im Fokus der Schau.

Doch Eis ist letztlich eine Geschmackssache. Viele Kunden zeigen sich zwar experimentierfreudig, sagt Pecher. Die traditionellen Geschmacksrichtungen Vanille und Schokolade gehen aber noch immer am häufigsten über die Ladentheke. Doch auch bei Pecher gibt es mittlerweile vegane, lactosefreie Eissorten und auch Bio-Eis.

Der Verband der italienischen Eishersteller kürt jährlich eine Sorte des Jahres. In der Vergangenheit sind ausgefallene Kreationen wie Birne mit Parmesan oder Erdbeere mit Balsamico darunter gewesen. Pistazie wird 2016 die Sorte des Jahres. Natürliche Rohstoffe und traditionsreiche Rezepturen sollen in diesem Sommer die Kunden in die Eiscafés locken.