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Integration Gutmann: "Ärmel hochkrempeln!"

Sachsen-Anhalts Arbeitgeberpräsident fordert nach dem AfD-Erfolg bei der Landtagswahl mehr Einsatz für Integration.

18.03.2016, 23:01

Volksstimme: Herr Gutmann, wie bewerten Sie den Wahlausgang in Sachsen-Anhalt?

Klemens Gutmann: Es macht mich betroffen, wie sehr Rechtspopulismus in diesem Land verfängt und wie die SPD dahinschwindet. Denn die Partei war in meinem Weltbild immer ein fester Bestandteil im Parteienspektrum, hat vor allem die Arbeitnehmerseite verlässlich vertreten.

Müssen sich nicht alle demokratischen Parteien jetzt die Frage stellen, was sie falsch gemacht haben?

Ich denke schon, denn wenn 24 Prozent die Alternative für Deutschland wählen, dann ist das natürlich ein Statement der Unzufriedenheit.

Wo kommt die aus Ihrer Sicht her?

Wir vergleichen uns recht häufig mit Erfolgsregionen. Die Presse macht das, Wissenschaftler ebenfalls – das tun aber auch Familien, in denen ein Teil der Angehörigen in anderen Ländern lebt, oder auch Pendler, die in anderen Ländern arbeiten. Und da wir in Ländervergleichen nun mal regelmäßig schlecht abschneiden, ist die Unzufriedenheit selbst bei Menschen, denen es in den vergangenen Jahren besser ergangen ist, weiter gewachsen. Selbst manche Handwerker und Unternehmer haben ihre Stimme dieses Mal der AfD gegeben.

Gegen diese Unzufriedenheit kann die Landesregierung nur langfristig gegensteuern. Was wir in Sachsen-Anhalt kurzfristig ändern müssen, ist unsere Einstellung zu Ausländern. Vergleichsweise wenige leben in unserem Land, aber viele tun so, als hätten wir ein riesiges Problem mit ihnen. Dabei gibt es ganz andere Regionen in Deutschland, die viel mehr Grund zu klagen hätten. Die ernsthaftere Probleme haben, Flüchtlinge unterzubringen. Dort aber geht man mit den Herausforderungen deutlich souveräner um als hierzulande.

Insofern appelliere ich an meine Mitbürger: Wir dürfen uns an einen normalen Umgang mit den Ausländern, die hierher kommen, gewöhnen. Selbstverständlich muss die Flüchtlingskrise in Europa endlich gelöst werden, aber das ist Aufgabe der Bundes- und Europapolitik. Wir hier in Sachsen-Anhalt dagegen haben die Pflicht, denen, die bereits bei uns sind, eine ordentliche Integrationsmöglichkeit zu bieten. Wir müssen ihnen vernünftig im Umgang begegnen, mit Anstand! Nicht zuletzt, weil andere das auch können, die zehn Mal so viele Menschen aufnehmen. Das ist mein moralischer Appell.

Schauen wir in die Zukunft. Inzwischen zeichnet sich ab, dass es zu einer schwarz-rot-grünen Regierung kommen wird. Was halten Sie von dieser Konstellation?

Das klingt nicht wirklich nach einer Idealkonstellation, aber trotzdem kann ich mir vorstellen, dass es funktionieren wird. Und zwar vor allem angesichts der Ausnahmesituation, in der sich das Land nun nach der Wahl befindet. Länder wie die Niederlande oder Österreich haben sich an die Anwesenheit von Rechtspopulisten im Prinzip gewöhnt, haben eine gewisse Routine entwickelt. Für uns ist es das erste Mal und daher vermute ich, dass die demokratischen Parteien zusammenrücken. Und die Grünen haben sich ja auch zunehmend zu einer bürgerlichen Partei entwickelt, das zeigt ja auch der Wahlausgang in Baden-Württemberg.

Wie sollte die neue Regierung mit der AfD umgehen?

Ich finde es wichtig, dass eine Landesregierung ihre Hausaufgaben macht. Sie muss für gute Kitas, Schulen und Hochschulen sorgen, den Ausbau der digitalen Infrastruktur vorantreiben. In der eigentlichen Wirtschaftspolitik hat eine Landesregierung im Allgemeinen relativ wenig Spielraum, die wird eher auf Bundesebene und in Brüssel betrieben. Die beste Wirtschaftspolitik auf Landesebene besteht insofern daraus, für möglichst vernünftige Rahmenbedingungen zu sorgen.

Das heißt aber auch: Wird hierbei etwas vergeigt, dann hat das oft lange Nachwirkungen. Einspardiskussionen, wie wir sie in den vergangenen Jahren bei den Hochschulen und dort speziell bei der Informatikerausbildung hatten, sollte die neue Regierung besser vermeiden. Dass in der Spar-Debatte auch noch eine bewährte Wirtschaftsministerin geschasst wurde, war auch so eine Geschichte, die dem Land kein Renommee gebracht hat – hierfür bedurfte es nicht erst die AfD.

Also ich glaube, dass ein fehlerfreies, handwerklich gutes Arbeiten der neuen Regierung dazu führen könnte, dass die Zustimmung zur AfD wieder schwindet. Einen Ansatzpunkt hierfür würde ich etwa darin sehen, dass man sich jetzt als Erstes daranmacht, die notwendigen Neueinstellungen von Lehrern und Polizisten anzugehen.

Ein Thema, das nicht nur die Bundesebene beschäftigt, sondern auch das Land, bleibt aber die Flüchtlingspolitik. Wie sollte die künftige Landesregierung hier vorgehen?

Das eine ist die Reduzierung der Flüchtlingszahlen – eine Aufgabe der Bundesregierung. Aufgabe der neuen Landesregierung ist es, die Frage zu beantworten, wie wir mit denen umgehen, die hierher gekommen sind und bleiben. Und ich will von der Landesregierung vor allem, dass sie alle unterstützt, die sich für die Inte- gration einsetzen. Das Geld, das wir hierfür einsetzen, halte ich für gut investiert. Wir müssen hier jetzt weiter die Ärmel hochkrempeln.

Welchen Beitrag kann die Wirtschaft da leisten?

Wir schauen in den eigenen Reihen, wo wir jetzt schon Arbeitsplätze haben, die sich für Zuwanderer mit begrenzten Deutschkenntnissen eignen. Eine Reihe von Unternehmen sind inzwischen schon dabei, den Menschen durch Aus- und Weiterbildungen eine Chance zu geben. Das wird dadurch begünstigt, dass in vielen Bereichen Nachwuchsstellen nicht mehr so leicht besetzt werden können, weil weniger junge Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen.