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Energie Investor verspricht Selbstversorgung

Die Gemeinde Bördeland soll sich komplett mit regenerativen Strom und Wärme versorgen.

Von Andreas Pinkert 12.04.2016, 01:01

Biere l Die Einheitsgemeinde Bördeland südlich von Magdeburg mit ihren rund 7800 Einwohnern hat sich als Standort von Deutschlands größtem Cloud-Rechenzentrum der T-Systems AG im Ortsteil Biere einen Namen gemacht. Nun zielt die Lorica Energiesysteme GmbH & Co. KG auf eine neue Superlative. Das mittelständische Unternehmen aus Schleswig-Holstein mit einer Repräsentanz im Bördeland projektiert und betreibt bundesweit Windenergieanlagen, die im Familienbesitz bleiben.

Ziel ihrer „Bördelandwerke“, einem ausgeklügelten Zusammenspiel regenerativer Energieformen, sei eine „sichere und bezahlbare Vollversorgung der Haushalte und Unternehmen in der Gemeinde Bördeland mit Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien“. Dabei wird auf drei Säulen der Erzeugung gesetzt: Strohfermentation, Solarthermie und Windkraft. Als eines von vielen innovativen Teilsystemen zur Energiespeicherung dient ein fünf bis 15 Meter tiefes Erdbecken, gefüllt mit einem Wasser-Kies-Gemisch. Darin wird die Wärme des Sommers bis in die Wintermonate gespeichert. Laut Modellprojekt fließt dort auch die erzeugte Server-Abwärme des benachbarten Cloud-Rechenzentrums ein. Wärmepumpen, von Windenergie angetrieben, erhitzen Wasser, das über Rohre in das Erdbecken gepumpt und bei Bedarf wieder entnommen wird.

Das für alle Komponenten benötigte Areal von rund 2,2 Hektar soll auf einem Acker zwischen den Ortsteilen Biere und Welsleben wachsen. Um die erzeugte Wärme zu den Verbrauchern zu bringen, ist in einer ersten Ausbaustufe ein 37 Kilometer langes Nahwärmenetz vorgesehen. Gerechnet wird mit einer geschätzten Gesamtinvestition von rund 90 Millionen Euro, vorausgesetzt jeder zweite Haushalt der beiden größten Ortsteile würde sich daran anschließen.

„Die Bördelandwerke sind in dieser Kombination und Dimension der einzelnen Komponenten in Deutschland und Europa ohne Beispiel. Insbesondere die Strohenergieanlage ist weltweit die erste große Demonstrationsanlage mit dieser Technik“, heißt es vom Ideengeber.

Das energetische Potential für Stroh sei hoch, eine Tonne Stroh entspreche energetisch rund 400 Litern Heizöl. Und Stroh falle in der landwirtschaftlich geprägten Börde jede Menge an. „Die Energiewende ist eine Gemeinschaftsaufgabe, zu der wir aktiv einen wichtigen - qualitativen - Beitrag leisten möchten“, sagt Lorica-Geschäftsführer Bernd Panzer, der angesichts von zusätzlichen Arbeitsplätzen, Pacht- und Steuereinnahmen die regionale Wertschöpfung und Kaufkraft nachhaltig gestärkt sieht. Doch noch ist es eine innovative Idee auf dem Papier, die auf eine Umsetzung wartet. „Der Gemeinderat hat erst einmal einen Grundsatzbeschluss über die Erstellung eines kommunalen Energieleitplanes verabschiedet“, sagt Bördelands Bürgermeister Bernd Nimmich (SPD). „Damit loten wir generell aus, inwieweit wir die viel beschworene Energiewende vor Ort aktiv gestalten können.“ Das bedürfe einer intensiven Diskussion. Und das nicht ohne Grund, denn zu den vorgestellten Lorica-Plänen gibt es bereits kritische Stimmen aus dem Gemeinderat. Dirk Natho (FDP): „Mit einem Bau würde deutschlandweiter Spitzenacker versiegelt.“ Zudem sei die Errichtung weiterer rund 180 Meter hoher Windräder in der Landschaft überflüssig, zumal der Betreiber bereits über einen Windpark bei Biere verfügt. Der Unternehmer befürchtet beim Nahwärmenetz die Öffnung unzähliger sanierter Straßen und ein Preisdiktat bei angeschlossenen Haushalten.