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Kupfer Hettstedter Traditionsfirma trumpft auf

Die Zeit des Bergbaus im Mansfelder Land ist vorbei. Doch MKM in Hettstedt macht sich auf, als Kupfer-Verarbeiter den Weltmarkt zu erobern.

19.04.2016, 23:01

Hettstedt l Vernagelte Fenster, eingefallene Dächer, holprige Straßen und nicht zuletzt verwaiste Industriebrachen und Schutthalden – das Bild Hettstedts ist geprägt vom Strukturwandel, vom Ende des Kupferbergbaus, von Abwanderung. Doch der Eindruck des Niedergangs trügt. Am Rand des knapp 15 000 Einwohner zählenden Ortes im Mansfelder Land residiert in historischen Backstein-Fabrikhallen die MKM Mansfelder Kupfer und Messing GmbH. Seit drei Jahren befindet sich das Unternehmen im Aufbruch und könnte Hettstedt zu neuer wirtschaftlicher Blüte verhelfen.

Die Entwicklung angestoßen hat der Londoner Investmentbanker Ian Hannam. 2013 übernahm er MKM für 42 Millionen Euro vom kasachischen Bergbau-Unternehmen Kazakhmys. Bis zu dem Zeitpunkt war MKM in der Kupfer-Branche eine graue Maus, die Umsätze stagnierten. Hannam ist nicht einfach nur irgendein Banker, zwölf Jahre arbeitete er als angesehender Experte für Rohstoffmärkte beim US-Geldhaus JP Morgen – bis er wegen des Verdachts des Insiderhandels rund 450 000 Pfund Strafe zahlen sollte und die Bank daraufhin verließ.

Hannam wäre jedenfalls wohl kaum bei MKM eingestiegen, wenn er nicht von vorneherein auch Potenzial im Traditionsbetrieb gesehen hätte. Seitdem ticken die Uhren in Hettstedt anders. Das operative Geschäft führt Hannam nicht selbst, er hat es in die Hände von Roland Harings gelegt. Harings kennt sich mit solchen Herausforderungen aus, der studierte Maschinenbauer hat 19 Jahre in der Aluminium-Industrie gearbeitet, hat bis 2014 bei Novelis weltweit den Automobilbereich für Aluminiumprodukte mit aufgebaut – darunter auch das Werk in Nachterstedt.

MKM, sagt er, sei ein „Rohdiamant“. Seine Begeisterung ist dabei nicht gespielt, Harings ist schlicht davon überzeugt, dass Kupfer und Kupfererzeugnisse in den kommenden Jahren gefragter denn je sein werden, MKM dadurch echte Chancen hat, zu expandieren.

Fest macht Harings das zum einen an der Energiewende. Tonnenweise Kupfer wird heutzutage für den Bau von Windparks benötigt, wo Kupfer in Generatoren, Leitungen und Schaltschränken wegen der Leitfähigkeit eingesetzt wird. Auch bei Offshore-Anlagen kommen Legierungen des Werkstoffs zum Einsatz, da Kupfer-Nickel im Gegensatz zu anderen Materialien nicht durch Meerwasser und salzige Luft rostet. Auf den Legierungen, die MKM herstellt, können zudem keine Algen wachsen.

Ein weiteres Einsatzgebiet für Kupfer gibt es beim Bau von Solarkraftwerken. Weil sich der Werkstoff leicht verarbeiten lässt, ohne dabei an Strom-Leitfähigkeit einzubüßen, werden kupferbeschichtete Leiterbahnen in den Solarzellen verbaut.

Einen riesigen Markt für MKM sieht Harings aber nicht nur in der Energiewende, sondern auch in der Elektromobilität. „In Elektromobilen wird dreimal mehr Kupfer verbaut als in herkömmlichen Fahrzeugen, schon heute beträgt der Kupferverbrauch hier 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr weltweit“, erklärt Harings. „Ziel ist es, mit MKM diese Zukunftsmärkte zu erschließen.“

Derzeit beschäftigt die Traditionsfirma in Hettstedt 1261 Mitarbeiter. Zu DDR-Zeiten, als noch Kupferschiefer aus dem Erdreich gefördert und verhüttet wurde, waren es mal mehr als 7000. Doch das ist lange her. Heute liegt der Schwerpunkt auf der Verarbeitung und Harings schmiedet ehrgeizige Pläne: Zukunftsmärkte fest im Blick, soll MKM künftig nicht nur 270 000 Tonnen Kupfer pro Jahr verarbeiten, sondern 400 000. Bereits von 2014 auf 2015 konnte MKM ein Plus von zehn Prozent verbuchen. Erreichen will Harings sein Wachstumsziel bereits 2018.

Und er hat deshalb gleich zu Beginn seiner Tätigkeit bei MKM im November 2014 mehrere Großprojekte auf einmal angeschoben, um zügig voran zu kommen. „Wir haben erheblich in unsere Produktionstechnik und die Infrastruktur investiert, die Produktionsprozesse verschlankt und begonnen, den Maschinenpark zu digitalisieren“, erzählt Harings. 2015 hat MKM bereits die Investitionen gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Und für 2016 soll das Investitionsvolumen erneut deutlich wachsen. Im Rahmen einer neuen Organisation wurde auch der Vertrieb neu aufgestellt. „Wir arbeiten jetzt enger mit unseren Kunden zusammen und entwickeln Lösung über die ganze Produktpalette des Kupfers hinweg aus einer Hand.“

Es sind aber nicht nur die ökonomischen Hebel, die Harings bei MKM in Bewegung gesetzt hat. Auch die Unternehmenskultur, das Miteinander verändert sich. Harings erklärt das so: „Früher war MKM eine verschlossene Firma, nach innen wie nach außen – jetzt pflegen wir einen offenen Umgang, sind stolz auf das, was wir hier produzieren.“ Um das zu untermauern, zückt Harings eine druckfrische Unternehmensbroschüre. In neuer Schutzkleidung posieren Mitarbeiter vor den Maschinen, an denen sie täglich arbeiten.

Gegen konjunkturelle Schwächen sieht Harings das Unternehmen gut gewappnet, denn es ist seit jeher breit aufgestellt, liefert als einziger Hersteller weltweit für verschiedenste Branchen Draht, Band, Rohre, Stangen, Bleche und Platten aus einer Hand. Auf den internationalen Wettbewerb etwa mit Kupferproduzenten aus China angesprochen, antwortet Harings: „Wir stellen Tausende von Produktvarianten zu wettbewerbsfähigen Kosten her – und bieten Kundennähe, Innovation und hervorragende Qualität.“

Sollte die Wachstumsstrategie Harings‘ aufgehen, dann dürfte sich MKM zu einem regelrechten Jobmotor für das strukturschwache Mansfelder Land entwickeln. Nicht nur die Kupferschmiede selbst könnte weitere Jobs schaffen, auch Zulieferer könnten vom Aufschwung profitieren. Ein wenig konnte MKM die Region bereits mit der Aufbruchstimmung infizieren. Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der Bewerber auf mehr als 1200 verdoppelt.