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Azubis aus Europa Kanzlerin Merkel enttäuscht die Wirtschaft

Seit Jahren bilden Firmen in Sachsen-Anhalt ausländische Azubis aus. Entgegen Merkels Ankündigung, wird das bald weniger gefördert.

26.04.2016, 23:01

Magdeburg l Es sind nur noch wenige Wochen bis zur Landtagswahl, als Kanzlerin Angela Merkel Anfang Januar Magdeburg besucht. Gemeinsam mit CDU-Spitzenkandidat Reiner Haseloff nimmt Merkel am Neujahrsempfang der Industrie- und Handelskammer (IHK) teil, der Presse-Rummel ist enorm. 900 Gäste sind gespannt auf das, was die mächtige Regierungschefin sagen wird.

Allen voran Magdeburgs IHK-Präsident Klaus Olbricht, er hofft darauf, dass die Bundesregierung das Förderprogramm MobiPro für ausländische Auszubildende um ein paar Jahre verlängert. Im Rahmen des Programms bekommen die Azubis Geld vom Bund, wenn sie für drei Jahre in Deutschland eine Lehre im Unternehmen absolvieren. Attraktiv ist das nicht nur für die jungen EU-Ausländer, die in ihrer Heimat oftmals kaum Jobperspektiven haben. Auch die deutschen Betriebe profitieren, weil es ihnen von Jahr zu Jahr schwerer fällt, Nachwuchs zu finden.

Der Bund hat das Förderprogramm MobiPro allerdings von Anfang an zeitlich befristet. Im Sommer 2016 soll der vorerst letzte Jahrgang von ausländischen Jugendlichen an den Start gehen, deren Ausbildung finanziell gefördert wird – zum Unverständnis der Wirtschaft. IHK-Chef Olbricht nutzt den Neujahrsempfang, um bei Merkel für eine Verlängerung zu werben. In seiner Rede sagt er: „Das Förderprogramm MobiPro muss unbedingt für die nächsten Jahre für unsere Mitgliedsunternehmen weiter zur Verfügung stehen.“ Nach Angaben der IHK haben zwischen 2014 und 2016 allein in Sachsen-Anhalt bisher 80 Unternehmen mehr als 430 ausländische Lehrlinge aufgenommen.

Bei Kanzlerin Merkel trifft die Forderung zur Freude Olbrichts auf Wohlwollen, in ihrer Rede sagt sie wortwörtlich: „Ich will ausdrücklich zusagen, dass ich mich dafür einsetzen werde, das Programm MobiPro weiterlaufen zu lassen.“ Merkel deutet anschließend sogar an, das Programm noch auszuweiten: „Wir müssen auch schauen, ob wir es effektiver gestalten können. Denn wir müssen möglichst vielen eine Chance geben.“

Merkels Einsatz für die Programm-Verlängerung bleibt jedoch aus. Zehn Tage nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, am 23. März, beschließt das Bundeskabinett, dass MobiPro wie ursprünglich geplant auslaufen wird. Auf Volksstimme-Anfrage erklärt eine Regierungssprecherin, bei MobiPro handele es sich nun mal „um ein von vorneherein zeitlich begrenztes Pilotvorhaben“. Teilnehmende Azubis würden bis zum Ende ihrer Lehre unterstützt, das Förderprogramm bis 2020 ausgewertet. Es werde dabei geprüft, „welche Ergebnisse und Erfahrungen in das Regelgeschäft übertragen werden können“.

Magdeburgs IHK-Chef Klaus Olbricht findet das unerhört: „Ich bin tief enttäuscht“, erklärt er gegenüber der Volksstimme. „Mit Hilfe des Förderprogramms haben wir bisher sehr gute Ergebnisse erzielt.“ Die bereits ausgebildeten Jugendlichen hätten sich beruflich und privat hervorragend integriert. „In diesem Sinne appelliere ich an die Bundesregierung, die über Jahre aufgebauten und erfolgreich funktionierenden Strukturen weiter finanziell zu unterstützen“, so Olbricht weiter.

Nach Volksstimme-Recherchen beim Bundesarbeitsministerium hätte sich die Regierung auch für eine Verlängerung aussprechen können – sie tat es jedoch nicht. Meinung