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Wachstum Deutsche kaufen wie verrückt

Die deutsche Wirtschaft scheint vor Kraft nur so zu strotzen. Doch wie lange hält der Wachstumsschub?

Von Friederike Marx 13.05.2016, 23:01

Frankfurt/Main (dpa) l Kauflustige Verbraucher, höhere Ausgaben des Staates und steigende Investitionen der Unternehmen sorgen für einen Traumstart der deutschen Wirtschaft ins Jahr 2016. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst im ersten Quartal um 0,7 Prozent und damit so kräftig wie seit zwei Jahren nicht mehr. Ob es in diesem unerwartet hohen Tempo weitergeht, scheint allerdings fraglich. „So viele günstige Faktoren kommen so schnell nicht noch einmal zusammen“, sagt der Konjunkturexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Dirk Schlotböller.

Ein Grund: Der ungewöhnlich milde Winter sorgte für einen zusätzlichen Wachstumsschub. Die Bauwirtschaft konnte dadurch mehr abarbeiten als sonst üblich und die Unternehmen investierten mehr in Ausrüstungen. Ohne den Effekt am Bau wäre Europas größte Volkswirtschaft im ersten Quartal um 0,4 Prozent gewachsen, schätzt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. „Letztlich ist ein Großteil der momentanen Investitionen durch die milde Witterung bedingt“, sagt auch der Chef des Außenhandelsverbandes BGA, Anton Börner.

Die Konsumfreude der Verbraucher und die Ausgaben des Staates, unter anderem für die Unterbringung Hunderttausender Flüchtlinge, dürften daher auch in den kommenden Monaten der Wachstumsmotor bleiben.

Die Verbraucher sind dank Mini-Inflation und Boom auf dem Arbeitsmarkt in Kauflaune. Die Verbraucherpreise sanken im April erstmals wieder seit Januar 2015. Die Inflationsrate lag um 0,1 Prozent niedriger als im Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Im Vergleich zum März sank die Teuerungsrate um 0,4 Prozent.

Die Stimmung der Verbraucher ist derzeit so gut wie zuletzt im vergangenen Spätsommer, die Bereitschaft zu größeren Anschaffungen ist gewachsen. Löhne und Renten steigen, was den Konsum und damit die Konjunktur zusätzlich ankurbelt. Vom Export erwarten Ökonomen dagegen kaum Impulse – im ersten Quartal dämpfte der Außenhandel das Wachstum, weil die Importe stärker stiegen als die Ausfuhren. Gefragt waren Produkte „Made in Germany“ zuletzt vor allem in den Ländern der EU.

Nach Einschätzung der Welthandelsorganisation (WTO) wird der globale Handel in diesem Jahr deutlich schwächer wachsen als bisher angenommen.

Einstige Hoffnungsträger wie China, Russland und Brasilien fallen derzeit aus. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt schwächelt. Brasilien und Russland stecken in der Krise. Hinzu kommt der zuletzt wieder stärkere Euro, der Produkte „Made in Germany“ auf dem Weltmarkt verteuern und so die Nachfrage dämpfen kann.

Die deutschen Unternehmen schätzen daher vor allem ihre Exportaussichten schlechter ein. Zudem bereitet den Managern die Unsicherheit über den Verbleib Großbritanniens in der EU Sorge.

Führende Ökonomen haben wegen der Schwäche der Weltkonjunktur ihre Prognose für die exportorientierte deutsche Volkswirtschaft zuletzt leicht nach unten korrigiert. So erwarten die Wirtschaftsweisen 2016 einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes von 1,5 Prozent, zuletzt waren die fünf Top-Ökonomen des Sachverständigenrates von 1,6 Prozent ausgegangen. Im vergangenen Jahr war die deutsche Wirtschaft noch um 1,7 Prozent gewachsen.

Europas größte Volkswirtschaft dürfte trotz aller Stolpersteine aber auch in diesem Jahr auf Wachstumskurs bleiben – sind sich Ökonomen einig.