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Abgasskandal Dritter VW-Chef im Visier der Fahnder

Jetzt nehmen sich die Staatsanwälte im Abgasskandal VW-Aufsichtsratschef Pötsch vor. Auch bei der Tochter Audi gibt es neue Betrugsvorwürfe.

06.11.2016, 23:01

Wolfsburg (dpa) l Volkswagen kann die Abgasaffäre noch lange nicht abhaken: Jetzt ist mit VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch ausgerechnet der oberste Kontrolleur des Konzerns ins Visier der Ermittler geraten. Der frühere Finanzchef steht im Verdacht der Marktmanipulation. Zudem gibt es Vorwürfe, die Tochter Audi habe bei Abgaswerten viel mehr getrickst als bislang bekannt.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen Pötsch, wie Volkswagen am Sonntag mitteilte. Bereits gegen Ex-VW-Boss Martin Winterkorn und den amtierenden VW-Markenchef Herbert Diess läuft ein Ermittlungsverfahren. Gegen die Manager liegt ein Anfangsverdacht vor, die Finanzwelt zu spät über den Abgasskandal informiert und so wichtige Informationen für Anleger unterdrückt zu haben.

Bei Pötsch beziehe sich das Ermittlungsverfahren auf die Zeit, als er Finanzvorstand war, teilte VW mit. Man werde die Ermittler „in vollem Umfang unterstützen.“ Der Konzern sei aber weiter der Auffassung, dass der Vorstand den Kapitalmarkt ordnungsgemäß informiert habe.

Beobachter hatten schon bei Beginn der Ermittlungen gegen Winterkorn und Diess im Juni gefragt, warum sich die Staatsanwaltschaft nun die beiden rauspickt und nicht auch Pötsch. Als Finanzchef des Konzerns war er für die Kommunikation mit den Anlegern zuständig. Eine Ad-hoc-Mitteilung, mit der Unternehmen über potenziell kursbewegende Nachrichten informieren müssen, läuft in der Regel über den Schreibtisch des Finanzchefs. Er entscheidet oft, ob solche Mitteilungen an die Öffentlichkeit kommen, oder das Unternehmen die Nachrichten vorerst für sich behält. Auch beim Wechsel Pötschs vom Vorstand zum Aufsichtsrat gab es deswegen Kritik.

Die VW-Eigentümerfamilien ließen wissen: „Die Familien Porsche und Piëch stehen uneingeschränkt hinter Herrn Pötsch.“ Zahlreiche Anleger verlangen vor Gericht einen Ausgleich für die hohen Verluste, die sie im Zuge der Affäre mit VW-Aktien erlitten haben. Zuletzt lagen am Landgericht Braunschweig 1400 Klagen von Aktionären vor. Insgesamt fordern sie etwa 8,2 Milliarden Euro.

Unterdessen berichtete die „Bild am Sonntag“, die VW-Tochter Audi sei stärker in den Abgasskandal verstrickt als bislang bekannt. Dem Bericht zufolge konnten bestimmte Audi-Modelle an den Bewegungen des Lenkrads unterscheiden, ob sie auf einem Rollenprüfstand oder auf der Straße sind. Entsprechend sei weniger oder mehr Benzin verbraucht und CO² ausgestoßen worden. Der Einsatz einer illegalen Software auch zur Täuschung bei CO²-Werten wäre eine neue Dimension. Weder Volkswagen noch Audi wollten den Bericht am Sonntag kommentieren.

Paradoxerweise dürfte Pötsch nun angesichts der Ermittlungen aber sogar noch ein wenig fester im Sattel sitzen als zuvor. Würde er nun zurücktreten, könnte das als Schuldeingeständnis interpretiert werden.