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Breitbandausbau Große Lösung für die Altmark ist geplatzt

Mit einem Zweckverband sollte der Breitband-Ausbau in der Altmark vorankommen, doch private Anbieter funken vermehrt dazwischen.

11.11.2016, 23:01

Stendal l Vier Jahre ist es her, da gründeten der Altmarkkreis Salzwedel und der Kreis Stendal mit 20 Gemeinden den Zweckverband Breitband Altmark. Das Ziel: Eine flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet für alle Bürger und Unternehmen aufbauen – ob in der Stadt oder auf dem Land. Es war die Reaktion auf das Zaudern der privaten Anbieter, die der Ansicht waren, die Ausbau-Arbeiten würden sich wirtschaftlich nicht lohnen. Inzwischen hat sich jedoch das Blatt gewendet. Deutsche Telekom, Envia Tel und Co. legen neue Daten-Autobahnen – und bringen damit das Geschäftsmodell des Zweckverbands ins Wanken.

Denn die Privaten bauen vor allem dort aus, wo es sich wirtschaftlich noch am ehesten lohnt. Die Telekom erschließt beispielsweise derzeit die Stadt Stendal. Die Kommune wollte sich von Anfang an nicht an der großen Zweckverbandslösung beteiligen. Bis zum Ende des Jahres werden die meisten Haushalte mit bis zu 100 Megabit pro Sekunde durchs Internet surfen können. Und je mehr Verbraucher die modernen Verbindungen nutzen, desto eher kann die Telekom die Ausbaukosten durch Nutzungsentgelte wieder refinanzieren.

Wäre Stendal nun ein Einzelfall, dann müsste das den Zweckverband wohl nicht weiter kümmern. Doch immer mehr Kommunen in der Altmark lassen beim Breitbandausbau die Privaten gewähren. Salzwedel, Osterburg, Tangermünde zählen ebenso dazu wie Arendsee, Bismark und Gardelegen. Am schnellsten ausgebaut werden in der Regel die Zentren, Ortsteile in der Peripherie müssen länger warten. Für den Zweckverband bleibt dadurch quasi nur noch ein Flickenteppich mit kleineren Orten übrig. Lediglich unter dem Einsatz von Fördermitteln wird sich deren Anschluss an die Datenautobahnen rechnen – wenn überhaupt.

Die ursprünglich geplante große Lösung für die Altmark ist inzwischen auch für die Zweckverbands-Vertreter in die Ferne gerückt. Michael Ziche ist Landrat im Altmarkkreis Salzwedel und gleichzeitig Verbandsgeschäftsführer. „Wir wollten Synergien erzielen, die wir jetzt nicht mehr erreichen“, erklärt der CDU-Politiker auf Volksstimme-Anfrage. „Ursprünglich wollten wir Überschüsse aus profitablen Gebieten nutzen, um Orte in der Peripherie mit zu erschließen. Das wird jetzt eher schwierig.“

Doch weshalb hat der Zweckverband überhaupt so lange gebraucht, um mit dem Breitbandausbau zu beginnen? Im Prinzip gibt es zwei Gründe: Der Verband wollte von Anfang an die Internet-Infrastruktur nicht nur ausbauen, sondern sie auch betreiben. Es dauerte jedoch relativ lange, bis der Verband mit der „DNS:NET Internet Service GmbH“ einen geeigneten Netzbetreiber und Partner gewinnen konnte.

Den zweiten Grund nennt Ziche selbst: „Die juristische Kons- truktion, die wir mit dem Zweckverband gewählt haben, ist sehr demokratisch. Aber was demokratisch ist, ist nicht immer unkompliziert, weil wir viele Gremien beteiligen müssen.“ Die einzelnen Verbandsmitglieder, also die einzelnen Kommunen, würden stets genau darauf schauen, wann bei ihnen der Breitband-Ausbau beginnt. „Es geht daher nicht immer systematisch voran.“ Ziche würde deshalb aus heutiger Sicht von einer Zweckverbands-Lösung Abstand nehmen. „Ich würde heute eine andere juristische Hülle wählen, aber ich würde nach wie vor eine Verbundlösung und das Betreibermodell wählen.“

Trotz der verstärkten Aktivitäten der Privaten will der Zweckverband aber weitermachen. Die Fördergelder, die Land und Bund bereitstellen, sind für ihn inzwischen Fluch und Segen zugleich. Denn dass die Politik für Sachsen-Anhalt rund 200 Millionen Euro bereitstellt, hat letztlich erst dazu geführt, dass das Interesse der Privaten am Ausbau wieder geweckt wurde. Andererseits, so erklären es Branchen-Experten, wird der Zweckverband nur noch mit Hilfe von Fördergeldern beim Ausbau vorankommen.

Stellt eine Kommune für ein Versorgungsgebiet sogenanntes Marktversagen fest, weil sich der Breitbandausbau dort wirtschaftlich nicht rechnen würde, kann sie Fördermittel vom Land nutzen. Sie hat dann die Wahl, einem privaten Anbieter den Ausbau und Betrieb zu überlassen, oder kann selbst tätig werden – eben wie es die Altmark-Kommunen mit Hilfe des Zweckverbandes einst wollten. Die privaten Anbieter bieten aber inzwischen an, entweder ohne Förderung auszubauen, um den Staat als potenzielle Konkurrenz rauszuhalten, oder liefern sich in manchen Fällen mit privaten Mitbewerbern sogar einen Wettbewerb darum, wer für den Ausbau weniger Geld vom Staat benötigt.

Der Zweckverband hat nun das Problem, dass er nur dann Fördermittel erhält, wenn sich kein Privater findet. Als er 2012 an den Start ging, war niemand da. Bei der jüngsten Marktkonsultation in diesem Jahr haben sich jedoch etwa eine Handvoll private Anbieter für mehrere Ausbaugebiete gemeldet.

Zwar darf der Zweckverband seinen ersten Cluster bei Arneburg jetzt ausbauen, doch bei den weiteren Vorhaben könnte es schwieriger werden, an Fördermittel heranzukommen. Verbandsgeschäftsführer Ziche ist trotzdem optimistisch, dass er die Fördergelder erhält, weil die privaten Anbieter bisher zwar ihr Interesse bekundet, aber keine verbindlichen Angebote vorgelegt haben. Dies könnte sich allerdings noch ändern.

Ziche wirbt auch deshalb weiter für seinen Zweckverband, weil dieser aus seiner Sicht einen nachhaltigeren Ausbau betreibt. Er setzt – im Gegensatz zu privaten Anbietern – auf Glasfaser-Kabel. Sie können höhere Datenmengen bewältigen als die Kupfer-Kabel der privaten Anbieter, deren Limit bei 250 Megabit pro Sekunde liegt. Auch würden Gewerbegebiete oftmals durch die Privaten nicht ausreichend versorgt, bemängelt er.

Das Wirtschaftsministerium lehnt jedoch einen Glasfaser-Zwang ab – auch weil deren Nutzung teurer ist als die von Kupfer-Kabeln. Dem Ministerium ist es wichtiger, dass Sachsen-Anhalt bis 2018 möglichst flächendeckend mit wenigstens 50 Megabit surft. Ziche bedauert das, doch ist er froh, dass er mit dem Zweckverband als Druckmittel bewirken konnte, dass sich nun auch die private Wirtschaft am Breitbandausbau stärker beteiligt.