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Digitalisierung Fällt die einfache Arbeit weg?

Maschinen und Roboter werden künftig immer mehr Aufgaben übernehmen. Beschäftigte in Sachsen-Anhalt müssen sich darauf einstellen.

27.11.2016, 23:01

Magdeburg l Arbeitsmarktexperten der Bundesagentur für Arbeit in Halle haben in einer Studie die Folgen der Digitalisierung für die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt untersucht. Rund 100 000 Jobs hierzulande könnten bis 2030 von Menschen auf Maschinen und Roboter umverteilt werden, aber auch neue Stellen werden entstehen. Die Frage nach Arbeitsplätzen ist aber nicht die einzige, die sich im Zuge der vierten industriellen Revolution stellen wird. Die BA-Studie wirft weitere Fragen und Folgen auf, mit denen sich Politik und Gesellschaft beschäftigen müssen.

Maschinen und Roboter können vor allem Routine-Arbeiten übernehmen. Was soll daher aus geringqualifizierten Beschäftigten werden, die bislang Helferjobs erledigen?

Von den rund 780.000 sozialversicherten Beschäftigten in Sachsen-Anhalt üben derzeit rund 100.000 eine Helfertätigkeit aus. Nach Angaben der Arbeitsmarktforscher könnten in den kommenden Jahren theoretisch 46 Prozent der Tätigkeiten auf Maschinen übertragen werden. Helferjob ist aber nicht gleich Helferjob. Es ist beispielsweise unwahrscheinlich, dass Maschinen die Pflege von Menschen in Seniorenheimen übernehmen werden. Wachsende digitale Konkurrenz werden eher die Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe zu spüren bekommen. Hier könnten nach Angaben der BA bis zu 80 Prozent der Tätigkeiten verlagert werden.

In der Studie wird jedoch auch ausdrücklich betont, dass die betroffenen Mitarbeiter nicht zwangsläufig überflüssig werden. Sofern sie regelmäßig weitergebildet werden, könnten sie im Betrieb auch neue Aufgaben übernehmen. Zumal manche Arbeiten Dank digitaler Hilfsprogramme auch von geringer Qualifizierten übernommen werden könnten.

Was könnte sich im Arbeitsalltag durch die Digitalisierung ändern?

Bereits heute können viele Arbeitnehmer, die früher im Büro saßen, von zu Hause aus arbeiten. Künftig lässt sich diese Praxis auch in anderen Tätigkeitsfeldern und Branchen anwenden. Mit Hilfe mobiler Technologien wie Smartphones, Laptops und Tablets kann der Beschäftigte im steten Kontakt zum Unternehmen arbeiten. Er könnte künftig von zu Hause aus die Maschinen und Roboter in den Fabriken der Zukunft überwachen und steuern. Die Digitalisierung könnte in diesem Zusammenhang auch einen Beitrag leisten, Familie und Beruf besser zu vereinbaren.

Die Arbeitsmarktforscher in Halle warnen in ihrer Studie aber auch vor möglichen negativen Folgen, die die Digitalisierung für Beschäftigte bringen kann. Die Unternehmer könnten auf flexiblere Arbeitszeiten Wert legen, die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeit könnten mehr und mehr verschwimmen. Verstärkt wird sich die Frage stellen, wie lange der Mitarbeiter zu Hause für den Chef erreichbar sein muss.

Die Forscher weisen zudem auf neue Überwachungsmöglichkeiten hin, warnen vor dem „gläsernen Arbeitnehmer“. Künftig könnte das Unternehmen nicht nur die Arbeitszeiten kontrollieren. Mit digitalen Systemen lässt sich auch die Arbeit der Beschäftigten besser überwachen und steuern. Die BA-Forscher führen hier das Beispiel Call-Center an. Die Beschäftigten dort müssten schon heute Gesprächsleitfäden folgen, sie würden bei ihrer Arbeit zunehmend „entmündigt“. Es gibt aber auch schon heute Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Ausweise mit Chips aushändigen. Sie können auf die Weise kontrollieren, in welcher Werkhalle sie sich aufhalten und welche Maschine sie wann bedienen. Fehler und Versäumnisse können sie minutiös nachverfolgen.

Wird die Digitalisierung nur etwas für große Unternehmen sein oder trifft es auch kleine Betriebe?

Die Forscher der Bundesagentur für Arbeit gehen davon aus, dass sich kein Unternehmen der Digitalisierung entziehen kann. Zumindest in den Bereichen Büro und Verwaltung wird jeder Betrieb mit leistungsfähigen Computerprogrammen aufrüsten müssen. Die Forscher gehen aber auch davon aus, dass die Digitalisierung in den großen Firmen schneller voranschreiten wird als in den kleineren. Das liegt auch daran, dass die Großbetriebe meist üppigere finanzielle und personelle Möglichkeiten haben, Strategien zur Digitalisierung zu entwickeln und diese im eigenen Geschäftsmodell zu integieren.

Wie weit ist die Digitalisierung in der Wirtschaft Sachsen-Anhalts vorangeschritten?

Hierzulande steht die Entwicklung noch am Anfang, was auch mit der kleinteiligen Struktur der Wirtschaft zu tun hat. 75 Prozent der Arbeitnehmer arbeiten in Betrieben mit weniger als 250 Mitarbeitern. Und nur etwa fünf Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen verfügen Stand heute über eine Digitalisierungs-Strategie. Oft fehlt den kleineren Betrieben sogar eine Internet-Präsenz, nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit verfügt gerade mal etwa jedes dritte Unternehmen über eigene Seiten im Netz.

Eine wichtige Voraussetzung für den digitalen Wandel sind zudem schnelle Internetverbindungen. Darauf wird in der BA-Studie explizit hingewiesen. Doch Sachsen-Anhalt ist beim Breitbandausbau im Bundesländervergleich Schlusslicht. Gerade einmal 42 Prozent der Haushalte verfügen derzeit über eine schnelle Verbindung ins Netz. Auf Bundesebene liegt die Quote dagegen bei 70 Prozent. Die Landesregierung hat sich allerdings vorgenommen, die Infrastruktur bis zum Jahr 2018 auszubauen, künftig sollen flächendeckend Anschlüsse mit einer Leistung von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zur Verfügung stehen.

Wie können sich die Arbeitnehmer in Sachsen-Anhalt für die Digitalisierung wappnen, was müssen die Unternehmen tun?

Nach Ansicht der Forscher gilt grundsätzlich: Je höher die Qualifikation, desto geringer das Risiko, arbeitslos zu werden. Künftig wird aber nicht mehr nur die Berufsausbildung des Einzelnen entscheidend sein. Zu den Eigenschaften, die Mitarbeiter künftig mitbringen müssen, zählen die Forscher unter anderem Flexibilität, ständige Lernbereitschaft und Kompetenzen im Umgang mit IT, Internet und Softwareprogrammen.

Die Forscher betonen auch, dass die Anforderungen der Digitalisierung sowohl in der schulischen Ausbildung als auch in der betrieblichen Fortbildung künftig eine zentrale Rolle spielen müssen. Sollte die Qualifizierung an den Erfordernissen vorbeigehen, droht Arbeitslosigkeit.